Augsburger Allgemeine (Land West)
Ausgeturtelt
Natur Die Turteltaube – Vogel des Jahres 2020 – ist stark gefährdet. Warum das so ist und was sie eigentlich mit Romantik zu tun hat
Augsburg Eigentlich klingt das alles so schön. Nach verstohlenen Blicken, nach Spaziergängen im Herbstlaub und Kribbeln in der Magengegend. Solche Dinge haben wohl die meisten Menschen im Sinn, wenn von Turteltauben die Rede ist. Deutlich weniger werden an den Vogel denken, der diesen Namen trägt. Und dessen Situation ist alles andere als schön: Die Turteltaube, die vom bayerischen Landesbund für Vogelschutz (LBV) und vom Naturschutzbund Deutschland nun zum Vogel des Jahres 2020 gewählt wurde, ist stark gefährdet und steht auf der globalen Roten Liste.
„Der Bestand ist gnadenlos in den Keller gegangen“, sagt Christiane Geidel, Artenschutzreferentin beim LBV. Die Zahlen sind massiv geschrumpft, der Rückgang seit dem Jahr
1980 liegt deutschlandweit bei fast 90 Prozent. In Bayern gibt es derzeit nur noch etwa 1000 Brutpaare.
Die Landwirtschaft sei eine der Hauptursachen für den dramatischen Schwund, sagt Geidel. Denn die kleine Taube hat es immer schwerer, geeignete Lebensräume zu finden. „Die Landschaft wird immer mehr aufgeräumt, Brutstätten verschwinden“, erklärt Geidel. Hinzu kommt, dass die Tiere weniger Nahrung finden. Turteltauben sind klassische Unkrautfresser – „aber niemand will Unkraut auf dem Acker haben“, sagt die Vogelexpertin. Weil das Nahrungsangebot schwindet, hat sich die Taube über die Jahre sogar angepasst. Sie frisst nun immer mehr Getreidekörner und weniger Wildkräuter. Das Problem dabei ist: Die Körner sind oft behandelt, etwa gegen den Befall mit Pilzen. Und diese Stoffe schaden den Vögeln, sie werden durch die Gifte geschwächt, viele Jungtiere sterben.
Und noch etwas macht den Tieren zu schaffen: In zehn EU-Staaten – nicht in Deutschland – ist es erlaubt, die Vögel zu jagen. „Es kann nicht sein, dass Tiere geschossen werden, die vom Aussterben bedroht sind. Wir starten nächstes Jahr eine Petition, um dieses Problem in den Fokus zu rücken “, sagt Artenschutzreferentin Geidel. Wissenschaftler hätten nachgewiesen, dass der Bestand der Turteltaube es nicht mehr verkraftet, wenn jährlich mehr als 1,4 Millionen Vögel in der EU legal geschossen werden. Besonders skandalös sei, dass in manchen Ländern das Schießen der Turteltauben als „Sport“zum eigenen Vergnügen gelte, sagt Geidel.
Und was hat es mit der Romantik auf sich? Tatsächlich sei es so, dass Turteltaubenpaare sehr liebevoll miteinander umgehen, sagt Geidel. „Sie kuscheln und kraulen sich das Gefieder.“Deswegen würde man auch verliebte Menschen als Turteltauben bezeichnen. Der Name der Taube rührt aber von ihrem Ruf her, einem markanten „Turr-TurrTurr“. Es ist ein Geräusch, das man immer seltener hört.