Augsburger Allgemeine (Land West)

Seit mehr als 100 Jahren Linienverk­ehr in der Luft

Luftfahrt-Geschichte Am 13. März 1919 landete die erste Linienmasc­hine in Augsburg. Rumpler-Luftverkeh­r flog mit Doppeldeck­ern nach Berlin

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburg Vor mehr als 100 Jahren begann der Linienluft­verkehr in Bayern, und zwar in Augsburg: Am 13. März 1919 landete die erste Maschine der Rumpler-Luftverkeh­r auf dem Flugplatz an der Haunstette­r Straße (darauf befindet sich jetzt das Univiertel). Der offene Doppeldeck­er war in Berlin gestartet und über Gotha nach Augsburg geflogen – Flugzeit: zwei Stunden und 55 Minuten. Nicht München, wie zu vermuten, sondern Augsburg spielte bei der Einführung des Linien-Luftverkeh­rs in Bayern die entscheide­nde Rolle.

Rumpler-Luftverkeh­r war aus den Rumpler-Werken in Augsburg hervorgega­ngen. 1916 hatte sich hier ein Zweigbetri­eb der Berlin-Johannisth­aler Rumpler-Werke angesiedel­t. In Berlin wie in Augsburg wurden Doppeldeck­er für den Kriegseins­atz gebaut. Die erste der bis Ende 1918 in Augsburg in Reihenbauw­eise entstanden­en 350 Rumpler-Maschinen startete am 1. Juli 1917 auf dem Werksflugp­latz an der Haunstette­r Straße. Der Doppeldeck­er „Bayru C IV“besaß eine Spannweite von 12,66 Metern und war 8,4 Meter lang. Heute würde man die Konstrukti­on als „Leichtbauw­eise“bezeichnen: Ein Holzgeripp­e, mit Stoff bespannt, Platz für Mann Besatzung, 100 Kilo Ballast und 240 Liter Benzin. Erster Direktor der Augsburger RumplerWer­ke war der Diplominge­nieur Otto Meyer. Er trat 1925 in die MAN ein und wurde 1946 Generaldir­ektor. Bereits während des Krieges hatte der Flugzeugba­uer Pläne für einen zivilen Luftverkeh­r ausgearbei­tet. Dieses Vorhaben verfolgte er nach Kriegsende zielstrebi­g. Es gelang ihm, trotz der von den Siegern angeordnet­en Vernichtun­g Fluggeräts einige zum Teil fabrikneue Rumpler-Maschinen und Ersatzmoto­ren „abzuzweige­n“. Sie wurden in Augsburg überholt, entmilitar­isiert und bekamen die blau-schwarze Aufschrift Rumpler-Luftverkeh­r.

An ehemaligen Militärpil­oten mangelte es nicht. Doch dass sie mit Zivilmasch­inen abheben durften, dafür musste Otto Meyer bei der Alliierten Militärkom­mission für Rumpler-Luftverkeh­r eine Flugzwei erlaubnis erwirken. Die erste Fluglizenz nach dem Ersten Weltkrieg bekam die Deutsche Luftreeder­ei (DLR) für Kurierflüg­e zwischen Berlin und Weimar. In Weimar tagte nämlich die Deutsche Nationalve­rsammlung. Am 5. Februar 1919 fanden die ersten Kurierflüg­e mit Zeitungen und Post statt. Zu diesem Zeitpunkt wartete Rumpler-Direktor Otto Mayer in Augsburg noch auf die Starterlau­bnis für RumplerLuf­tverkehr. Vor mehr als 100 Jahdeutsch­en ren, am 13. März 1919, landete die erste einmotorig­e „Verkehrsma­schine“in Augsburg: ein entmilitar­isierter Rumpler-Doppeldeck­er. Im Juni 1919 war der geplante Liniendien­st eingericht­et. Täglich flogen ehemalige Militärmas­chinen mit bis zu drei Passagiere­n und zwei Postsäcken an Bord – Höchstbela­dung 250 Kilo – die Strecke Augsburg–München–Fürth/Nürnberg– Leipzig–Berlin und zurück. Dreimal musste aufgetankt werden.

Mit 660 Kilometer war es die längste und schwierigs­te Linie des noch bescheiden­en deutschen Fluglinien­netzes. Allein mit Linienflug­Passagiere­n und Postbeförd­erung konnte Rumpler-Luftverkeh­r nicht überleben. Das erkannte Direktor Otto Meyer schnell. Zusatzeinn­ahmen erhoffte er sich von „Erholungsu­nd Gesellscha­ftsflügen“. Um dieses Luxusgesch­äft anzukurbel­n, waren spektakulä­re Werbeaktio­nen wie ein Zugspitzfl­ug nötig. Am 24. Juni 1919 startete ein Doppeldeck­er mit einem Augsburger Journalist­en. In München-Oberwiesen­feld stieg ein weiterer Zeitungsre­dakteur zu. Sie umkreisten die Zugspitze und landeten auf einer Wiese in Garmisch-Partenkirc­hen zum Presseterm­in. Der Rückflug ging über den Starnberge­r See.

Ein „Volksflugt­ag“in Augsburg am 5. Oktober 1919 war ebenfalls eine Werbeveran­staltung für Rumpler-Luftverkeh­r. Berühmte Weltkriegs­piloten wie Ernst Udet führten Kunstflüge vor, es gab Fallschirm­absprünge und Rundflüge. Es kamen Tausende Zuschauer, doch der Werbeerfol­g blieb bescheiden: Bis Ende 1919 beförderte Rumpler- Luftverkeh­r lediglich 183 Passagiere, 1920 waren es 395. Da die Flugpreise nicht kostendeck­end waren, subvention­ierte der Staat ab 1920 den Luftverkeh­r. 1921 stieg die Anzahl der Fluggäste auf 1669. Außerdem beförderte 1921 Rumpler-Luftverkeh­r 3800 Kilo Post. 1921 legten die Maschinen 273000 Flugkilome­ter zurück.

Im Inflations­jahr 1922 ging es trotz intensiver Pressearbe­it und hohen Werbeaufwa­nds finanziell weiter bergab. Die letzte spektakulä­re Flugaktion von Rumpler-Luftverkeh­r war die Landung der mit Schneekufe­n ausgerüste­ten D98 auf dem Schneefern­er-Gletscher auf der Zugspitze am 19. März 1922. Die Landung gelang, der Start jedoch nicht mehr, der Propeller war beschädigt. Die Zeit für solche fliegende Weltkriegs­veteranen war eh abgelaufen. Das Ganzmetall­flugzeug beherrscht­e bereits die Verkehrslu­ftfahrt. Rumpler-Luftverkeh­r war 1922 nicht mehr zahlungsfä­hig und musste fusioniere­n. 1926 ging das Unternehme­n, das Augsburger und bayerische Luftfahrtg­eschichte schrieb, in der Lufthansa auf.

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Fotos: Sammlung Häußler Das Flieger-Ass Ernst Udet als Pilot von Rumpler-Luftverkeh­r auf dem Augsburger Flugplatz. Als Passagiere posierten hierbei seine Frau und Stella Meyer für den Fotografen.

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