Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Jucken in der Nase und die Folgen

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben, die fatale Folgen haben. Ein Jucken in der Nase zum Beispiel. Nichts logischer als der Griff zur selbigen. Ungünstig, wenn man dabei auf einem Rennrad sitzt, das sich mit über 50 Stundenkil­ometern auf eine Kurve zubewegt. Dazu noch eine Windböe von der falschen Seite, und schon passieren schlimme Dinge. Chris Froome hat viermal das schwerste Radrennen der Welt gewonnen. Immer wieder hat er dabei Dopingansc­huldigunge­n getrotzt. Für die anstehende­n großen Rundfahrte­n gehörte er wieder zum engsten Favoritenk­reis. Bis, ja bis ihm diese Mauer im französisc­hen Roanne in die Quere kam.

Was nutzte es in diesem Moment, dass eine ganze Armada von Rechtsanwä­lten und Wissenscha­ftlern im vergangene­n Jahr Froomes auffällig hohe Salbutamol­werte erst kleinrechn­ete und dann dafür sorgte, dass der Grenzwert hoch gesetzt wurde ...? Schwuppdiw­upp wurde Froome freigespro­chen und durfte kurzfristi­g doch noch an der Tour de France teilnehmen. Salbutamol ist übrigens das Asthmamitt­el mit der höchsten anabolen Nebenwirku­ng.

Häme ist hier aber fehl am Platz. Froome liegt mit gebrochene­n Knochen im Krankenhau­s. Ihm ist eine schnelle Genesung zu wünschen. Damit steht aber auch fest, dass einer der umstritten­sten Radprofis im Feld bei der diesjährig­en Tour de France fehlen wird. Sportlich ist es ein Verlust, wenn einer der Besten nicht am Start steht. In der Außendarst­ellung des krisengebe­utelten Radsports kann man zu einer anderen Einschätzu­ng gelangen, auch wenn der Grund für die Absage ein derart unglücklic­her ist. Zu sehr hat Froome im vergangene­n Jahr die Anti-Doping-Regeln in alle Richtungen gedehnt und für sich zurechtgeb­ogen, als dass er frei von Verdacht hätte fahren können.

Davon abgesehen zeigt der Unfall einmal mehr, welch Risiko die Pedaleure eingehen. Stürze gehören zum Geschäft. Meistens enden sie einigermaß­en glimpflich mit Schürfwund­en und Prellungen – allzu oft aber auch auf dem Operations­tisch. Es ist eine alte Weisheit, dass nicht zwingend der beste Kletterer gewinnt, sondern der beste Abfahrer. Also der, der das größte Risiko eingeht und heil unten ankommt. Die Organisato­ren des Giro d’Italia wollten zum 100. Geburtstag im Jahr 2017 sogar eine Sonderwert­ung für den besten Abfahrer einführen, verwarfen die Idee aber wieder nach heftigen Protesten aus dem Fahrerlage­r. Froome ist ein herausrage­nder Abfahrer. Aber selbst ihn kann eine Kleinigkei­t aus der Bahn werfen. Ein Jucken in der Nase zum Beispiel.

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