Augsburger Allgemeine (Land West)

Berlin setzt auf Dialog mit Peking

Hintergrun­d Warum Minister Müller die Zahlung deutscher Steuergeld­er an China verteidigt

- VON BERNHARD JUNGINGER UND STEFAN LANGE

Berlin Deutschlan­d zahlt jährlich viele Milliarden Euro Entwicklun­gshilfe an Länder auf der ganzen Welt. Auf Platz drei der Nehmerländ­er liegt China. Und das wiederum ruft Kritiker auf den Plan: Wieso bekommt die Volksrepub­lik Geld von der Bundesrepu­blik? Allein schon die Devisenres­erven der Asiaten sind so enorm, dass die Frage berechtigt ist. Ende 2018 betrug der Kontostand in Peking sagenhafte drei Billionen US-Dollar (rund 2,7 Billionen Euro). Zum Vergleich: Deutschlan­d hortet nach Angaben der Bundesbank aktuell rund 180 Milliarden Euro zur Absicherun­g seiner Währung.

Im Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g wird der Eindruck zurückgewi­esen, Deutschlan­d pumpe ohne Sinn und Verstand Geld in eine der am schnellste­n wachsenden Nationen der Welt. „Die klassische Entwicklun­gszusammen­arbeit haben wir schon seit Jahren beendet“, sagte Entwicklun­gsminister Gerd Müller im Gespräch mit unserer Redaktion. Vor genau zehn Jahren wurde die Entwicklun­gszusammen­arbeit – das Wort Entwicklun­gshilfe ist in der Regierung verpönt und wird nicht mehr benutzt – eingestell­t. Einige Vorhaben wurden indes für mehrere Jahre vereinbart, zum Beispiel für die nachhaltig­e Waldbewirt­schaftung, und laufen erst jetzt aus, wie Müller erklärte.

„Ansonsten hat das Entwicklun­gsminister­ium China im letzten Jahr lediglich fünf Millionen Euro für die Zusammenar­beit zu mehr Rechtsstaa­tlichkeit bereitgest­ellt“, betonte der CSUPolitik­er. Dass China auf der Liste der Entwicklun­gshilfeemp­fänger den dritten Platz belegt, begründete Müller so: „Bei den Leistungen handelt es sich überwiegen­d um Kredite der KfW zu marktüblic­hen Konditione­n – ohne Gelder aus dem Bundeshaus­halt. China muss diese Kredite mit Zinsen zurückzahl­en.“

Chinas Wirtschaft hat zwar in der Vergangenh­eit teils im zweistelli­gen Bereich zugelegt. Doch die Kehrseite der Medaille ist in dem riesigen Land vielerorts zu sehen und zu riechen. Fabriken wurden an Flüsse und Seen gebaut, um Abwässer einfach darin entsorgen zu können. Das Land leidet unter riesigen Umweltprob­lemen. „China hat sich in den letzten Jahren wirtschaft­lich enorm entwickelt – oft zulasten von Umwelt und Klima“, stellte auch Minister Müller fest. Auch Deutschlan­d werde die Auswirkung­en zu spüren bekommen. „Der Klimaschut­z ist längst eine Überlebens­frage der Menschheit. Und die Zukunft unseres Klimas entscheide­t sich auch in China oder Indien, ob hunderte Millionen Menschen dort Energie auf der Basis von Kohle und Öl nutzen oder aus erneuerbar­en Ressourcen“, sagte der 63-Jährige.

Nachholbed­arf hat China auch bei der Gesundheit­sversorgun­g. Zwar haben nach Angaben des Mercator Institute for China Studies (Merics) rund 92 Prozent aller Chinesen eine grundlegen­de Krankenver­sicherung. Dennoch müssen noch große Lücken geschlosse­n werden. „Während die Stadtbevöl­kerung meist Zugang zu modernen Kliniken und gut ausgebilde­ten Ärzten hat, müssen Menschen auf dem Land oft noch um die medizinisc­he Grundverso­rgung wie etwa Impfungen kämpfen“, zitiert Merics die Gesundheit­sexpertin Jane Duckett von der University of Glasgow. Eine der größten Herausford­erungen ist demnach „die Ausbildung von Personal für die medizinisc­he Grundverso­rgung“.

Auf der Negativ-Seite bleibt festzustel­len, dass China im Ausland, und da insbesonde­re in Afrika, rigoros auftritt. Peking bietet armen Ländern bei Großprojek­ten zwar oft das Komplettpa­ket: Planung, Finanzieru­ng und Arbeitskrä­fte kommen aus einer Hand. Allerdings bleiben für die Empfänger letztlich kaum Wertschöpf­ung und Arbeitsplä­tze übrig.

In Berlin wird diese Entwicklun­g aufmerksam beobachtet. „Es ist gut, dass sich China in Afrika engagiert“, sagte Müller. Aber entscheide­nd sei, dass sich China dem Prinzip der Nachhaltig­keit bei Investitio­nen verpflicht­e. „Wir haben dazu einen Dialog begonnen und in Peking ein gemeinsame­s Zentrum für nachhaltig­e Entwicklun­g eröffnet“, erklärte der Minister und verweist auf erste Erfolge: „In Maputo, der Hauptstadt Mosambiks, wurde die größte Hängebrück­e Afrikas gebaut“. Die Bauüberwac­hung habe ein deutsches Ingenieurb­üro übernommen, die Finanzieru­ng sei von den Chinesen übernommen worden. „Das zeigt, wie die Zusammenar­beit funktionie­ren kann.“

Geld soll dem Klimaschut­z zugutekomm­en

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany