Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Fundament für Erfolge ist gelegt
Blenden lassen sollten sich die DFB-Verantwortlichen nicht. Estland diente kaum als Prüfstein für kommende Aufgaben. Bewertet wird die Fußball-Nationalmannschaft nach Auftritten gegen Großgewichte und in Welt- und Europameisterschaften, final nach Titeln und Trophäen. Was die Nationalspieler zuletzt in der EM-Qualifikation boten, lässt allerdings hoffen. Gegen die Niederlande zeigten die Auswahlspieler Siegeswillen, gegen Weißrussland Pflichtbewusstsein und gegen Estland Spielwitz und Raffinesse. In Summe Komponenten, auf denen Erfolg im Fußball fußt. Das Fundament ist gelegt.
Ein Jahr nach dem historischen WM-Debakel wächst die Zuversicht, dass der Umbruch in der Deutschen liebsten Mannschaft spät, aber nicht zu spät eingeleitet wurde. Sané, Gnabry, Goretzka oder Kimmich geben der Verjüngung ein Gesicht, sie verkörpern Neugierde, Offenheit, Spielfreude und bringen den nötigen Erfolgshunger mit. Die Anhänger sind nach Enttäuschung und Empörung im Nachgang der WM empfänglich für Veränderung, der Stimmungswandel rund um die DFB-Elf war im Mainzer Stadion spürbar.
Noch befindet sich die Mannschaft in einer Findungsphase. Franzosen, Engländer, auch Niederländer sind in ihrer Entwicklung weiter, verfügen über mehr Erfahrung und Wettkampfpraxis auf höchstem Niveau. Dieser Rückstand lässt sich schwerlich bis zum Turnierbeginn in einem Jahr aufholen.
Eine Schlüsselrolle kommt Bundestrainer Joachim Löw zu. Er hat bewiesen, dass er Fehler einräumen, Taktiken überdenken und den gestrengen Reformator geben kann. Mit Hummels, Müller und Boateng hat er verdiente Recken abserviert, Kroos könnte ein ähnliches Schicksal ereilen, nachdem Gündogan, Kimmich und Goretzka im Zentrum des Spiels Ansprüche stellen. Nach Jahren des Stillstands, in denen den Weltmeistern besondere Rechte eingeräumt wurden, konkurrieren die Spieler wieder ernsthaft um Stammplätze. Den Leistungen auf dem Rasen ist dies zuträglich.
An Löw liegt es nun, aus dem Sammelsurium hochveranlagter Kicker ein Team zu formen, das Widerständen trotzt. Die ersten Schritte sind getan, nun müssen weitere folgen, will Deutschland wieder zum Titelkandidaten aufsteigen.