Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum jetzt Panzer in Dillingen rollen
Militär Die Bundeswehr hat unter dem Sparkurs vergangener Tage gelitten. Nun will sie ihr Image aufpolieren. Am Samstag erwartet sie zu einer Showveranstaltung in der Region 25000 Besucher – und einen Überflieger
Dillingen Die Werbetrommel für den 15. Juni dreht sich auf Hochtouren. „Willkommen Neugier“steht auf den Plakaten und Flyern, die an unzähligen Orten im Landkreis Dillingen und darüber hinaus zu sehen sind. Ein Linienbus, beklebt mit dem Bild eines übergroßen Panzers Leopard 2, ist am Ammersee unterwegs. In Augsburg haben Soldaten Regenschoner mit dem Aufdruck „Tag der Bundeswehr“an Fahrradsätteln angebracht. Und auf dem Festplatz Donaupark in Dillingen selbst rollen bereits die Panzer an. Dort werden an diesem Samstag etwa 25 000 Menschen erwartet.
Die Bundeswehr wird an diesem Tag an 14 Standorten in der Bundesrepublik alles auffahren, was sie zu bieten hat. In Bayern sind das Cham (Oberpfalz), Erding bei München und eben Dillingen. „Wir wollen zeigen, dass die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber ist“, sagt Major Patrick Glaser. Er gehört dem 20-köpfigen Organisationsteam des an der Donau stationierten Informationstechnik-Bataillons 292 an.
Werbung in eigener Sache scheint die Truppe nötig zu haben, denn der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels hat in seinem jüngsten Bericht zur Lage der Bundeswehr einen Tiefstand bei der Rekrutierung neuer Soldaten ausgemacht. Die Zahl der neu eingetretenen Soldatinnen und Soldaten sei 2018 auf nur noch 20000 gesunken – 3000 weniger als im Jahr zuvor. Dies sei „der niedrigste Stand“in der Geschichte der Bundeswehr, die derzeit nur noch über etwa 180 000 Soldaten verfügt. Wie die Zahl angesichts des Fachkräftemangels bis 2025 auf 203000 Soldaten steigen soll, ist für viele Experten ein Rätsel. Der frühere Dillinger Kommandeur Georg Schrenk hält die Aussetzung der Wehrpflicht für einen kapitalen Fehler. „Sehr viele Wehrpflichtige haben sich bei uns als Zeitsoldaten verpflichtet“, sagt der Oberst im Ruhestand. Er plädiert für eine allgemeine Dienstpflicht von zwölf Monaten für alle jungen Menschen.
Immer wieder in den Schlagzeilen ist die mangelhafte Ausrüstung der Truppe. Weniger als die Hälfte der Tornados und Eurofighter sei flugfähig, nur einer von vier Panzern laufe, von den U-Booten sei im Berichtsjahr keines vollständig einsatzbereit gewesen. „Wenn heute eine Übung oder ein Einsatz läuft, wird das Zeug in der ganzen Bundesrepublik zusammengekratzt“, sagt ein Kenner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Gar nicht gut zu sprechen sind viele Soldaten auf den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der 2011 mit der Bundeswehrreform acht Milliarden Euro einsparen wollte. Der Höchstädter Heribert der seine gut 33-jährige Dienstzeit fast komplett in der Dillinger Luitpoldkaserne verbrachte und seit 2001 im Ruhestand ist, sagt: „Die Bundeswehr wurde kaputtgespart.“Zum Glück gelte dies nicht für den Standort Dillingen, denn die IT-Spezialisten müssten gut ausgestattet sein. „Wenn das Material hier nicht stimmt, kannst du aufhören“, sagt Rossmeisl.
Der stellvertretende Kommandeur des IT-Bataillons 292 mit seinen etwa 700 Soldaten, Andreas Hadersdorfer, bestätigt dies. Er könne nur für den Standort Dillingen sprechen. „Und da sind wir mit der materiellen Ausstattung weitgehend zufrieden, im Bereich IT-Material ist die technische Verfügbarkeit sehr gut“, sagt Hadersdorfer.
Im Bericht des Wehrbeauftragten steht auch, dass die Zahl der Fälle von sexueller Belästigung in der zugenommen habe. In Dillingen leitet Major Anne Schönberger die fünfte Kompanie des ITBataillons 292. Sie betont, dass jedem dieser Fälle nachgegangen werden müsse. Sie selbst habe als Frau niemals Probleme in der Truppe gehabt und auch nicht bemerkt, dass andere Soldatinnen Schwierigkeiten mit männlichen Kollegen gehabt hätten. Im Gegenteil. „Alle waren sehr offen, wir sind als Frauen sehr gut aufgenommen worden“, betont Major Schönberger, die 121 Soldaten und fünf Soldatinnen ausbildet.
Dass der Tag der Bundeswehr überhaupt noch in Dillingen stattfinden kann, ist für einige Beobachter ein kleines Wunder, denn der Luitpoldkaserne drohte mehrfach die Schließung. Aussichtslos schien die Situation im Jahr 2001. Damals stand der Bundeswehrstandort Dillingen auf der Streichliste des früheRossmeisl, ren Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping. Als das Ende der heute 337-jährigen Dillinger Garnisonsgeschichte drohte, machte die Bevölkerung mobil. Rund 600 Menschen marschierten nach einer Solidaritätskundgebung durch die Königstraße zur Luitpoldkaserne, der CSU-Ortsverband sammelte 4500 Unterschriften. Die Sache ging bekanntlich gut aus, Dillingen blieb – für viele überraschend – Bundeswehr-Standort. Und der frühere Dillinger Rathauschef und heutige Altoberbürgermeister Hans-Jürgen Weigl (SPD), der in der ärgsten Standort-Not eine Kerze in der Basilika entzündet hatte, sprach vom „Dillinger Wunder“.
Heute ist der Bundeswehr-Standort gesichert, während Kasernen in Donauwörth und Günzburg geschlossen sind. Sechs Millionen Euro werden bis 2022 unter andeBundeswehr rem in ein neues Wachgebäude investiert, und die Planungen für weitere Millionen-Investitionen sind angelaufen. Ein Zeichen, dass Standort-Debatten derzeit kein Thema sind. Oberstleutnant Hadersdorfer sagt: „Die Bundeswehr soll leicht wachsen – und wir werden auch in Dillingen personell leicht zulegen.“
Die Bundeswehr in ihrer Vielfalt erleben sollen die Besucherscharen am Samstag von 9 bis 17 Uhr. Und darüber hinaus, denn das Spektakel mündet direkt in ein Stadtfest. 30 Busse werden die Gäste von Parkplätzen in der Region kostenlos in den Donaupark fahren. Die Eingänge gleichen denen in Auslandcamps der Bundeswehr. Alles soll realitätsnah sein. Im Vorfeld haben Soldaten des IT-Bataillons mit Helfern der Höchstädter Feuerwehren 4500 Sandsäcke in einem Kieswerk gefüllt. Panzer werden auffahren, Hubschrauber fliegen, Fallschirmspringer landen, ein Dillinger Soldat wird per Videobotschaft von seinem Einsatz in Mali berichten. Popsänger Severino Seeger (DSDS-Gewinner) und der Kabarettist Ausbilder Schmidt, bekannt durch den Film „Morgen, ihr Luschen!“, treten auf. Der Höhepunkt: Ein Airbus A400M, das überdimensionale Transportflugzeug der Bundeswehr, soll nachmittags zwei Mal über den Festplatz fliegen.
auf der ersten Bayern-Seite.
Dass es den Standort noch gibt, gilt als kleines Wunder