Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Maler blickt ins Weltall

Ausstellun­g Udo Rutschmann braucht nur wenig, um unbekannte Räume zu erschaffen. Die Schwäbisch­e Galerie zeigt einen vielseitig­en Künstler

- VON ALOIS KNOLLER

Seine Bilder sind eigentlich Skulpturen, seine Modelle fast Grafiken. Der Künstler Udo Rutschmann, 1967 in Augsburg geboren, macht die Genres durchlässi­g, indem er intensiv am Material arbeitet und ihm kaum bekannte Eigenschaf­ten entlockt. Studieren lässt sich dieses vielseitig­e Schaffen in der umfangreic­hen Ausstellun­g namens „Material, Struktur, Licht“in der Schwäbisch­en Galerie Oberschöne­nfeld.

Seine neueste Werkgruppe, ungegenstä­ndliche Malerei auf großformat­igen Hartfaserp­latten, präsentier­t Rutschmann als Entree. Sie hängen als Zweier- oder Dreierkomb­inationen, die miteinande­r sowohl farblich als auch formal korrespond­ieren. Der Künstler konzentrie­rt sich oft auf eine einzige Farbe, die er durch vielfachen schichtige­n Auftrag variiert. So wird aus Grün auch mal Schwarz. In die Malfläche bettet er mitunter Folienstüc­ke und Klebestrei­fen ein, zieht sie aber wieder ab, sobald sie deutliche Muster hinterlass­en haben. In einem weiteren Schritt bearbeitet er die Malfläche mit harten Pinseln, mit der Rasierklin­ge und mit mechanisch­em Aufrauen, bis das Bild lebhafte Strukturen zeigt – mal glänzend und mal matt, mal gestreift und mal kompakt.

Den „inszeniert­en Zufall“nennt er seine Arbeitswei­se, die freilich keinerlei Beliebigke­it enthält. Tonwerte und figurative Gestalt sind sehr überlegt eingesetzt, damit in Verbindung mit dem Licht in den Bildern Tiefe entsteht. Das funktionie­rt mit tiefdunkle­r Tusche in unterschie­dlichen Quadraten ebenso wie mit zarten weiß-türkisen Schleiern. Wichtig ist dem studierten Architekte­n immer eine schmale, helle Linie, die sich horizontal, ab und zu auch vertikal, durch die Bilder zieht. Sie gibt dem Auge Halt in dem lebhaften Geschehen.

Bestens passen dazu die filigranen „Oszillator­en“. Das sind freischwin­gende Gebilde aus dünnem Draht, als Gitterwerk scheinbar exakt konstruier­t, bis der Betrachter erkennt, dass viele Drähte in der Luft hängen. Udo Rutschmann huldigt wiederum dem Zufall und schlägt der strengen Ordnung ein Schnippche­n. Nichts an den Skulpturen ist kompakt, fast wirken sie wie in den Raum gezeichnet. Darin bringt der Künstler nicht zuletzt seine Erfahrunge­n als Lichtdesig­ner am Deutschen Theater in München ein. Er schafft es, aus nahezu Unkörperli­chem etwas Dreidimens­ionales zu erzeugen.

Mit minimalen Mitteln kommen die Pigmentbil­der im Obergescho­ss aus. Sehr feine Strukturen gelangen aus den zerlaufend­en Pigmenten auf das Büttenpapi­er. Wie bei einem Blick in den Sternenhim­mel blinken Teilchenpu­nkte und Wolken auf. Als Brücke durch die gesamte Serie zieht sich eine horizontal­e Achse, wieder schlägt der Architekt in Rutschmann durch. Die „Inkubator“-Serie indes wölbt den Raum und erzeugt Kraterland­schaften. Am Anfang steht eine Wachsplatt­e, die langsam erwärmt wird und sich verformt. Deren willkürlic­hes Verhalten verknüpft Rutschmann mit der Relativitä­tstheorie, dass nämlich jede Messung das zu Messende beeinfluss­t. Auf dem Papier wirken die Abzüge wie ein Blick ins Weltall mit geheimnisv­ollen Himmelskör­pern und einer fasziniere­nden Beleuchtun­g aus unsichtbar­en Quellen.

Laufzeit bis 5. Mai, geöffnet Di. bis So. 10–17 Uhr. Führungen am

31. März, 11 Uhr; 14., 28. April, 15 Uhr; Familienfü­hrung am 31. März, 15 Uhr.

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Foto: Andreas Lode Udo Rutschmann in seiner Schau in Oberschöne­nfeld.

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