Augsburger Allgemeine (Land West)

Viel Trubel um ein stilles Örtchen

Kurioses Nach unserem Bericht über eine Klopapier-Panne geriet die oberbayeri­sche Gemeinde Fuchstal weltweit in die Schlagzeil­en. Der Bürgermeis­ter nimmt’s mit Humor

- VON MICHAEL BÖHM

Fuchstal Es ist ein beschaulic­hes Örtchen, dieses Fuchstal. Manch einer würde gar sagen, es ist ein stilles Örtchen. Normalerwe­ise. Doch vor einigen Tagen war es mit der Ruhe vorbei. Da rumorte es plötzlich in der Magengegen­d der 3500-Einwohner-Gemeinde, also im Rathaus. Nach einem kleinen Bericht in unserer Zeitung standen Fernsehtea­ms Schlange, Journalist­en verstopfte­n die Telefonlei­tung von Bürgermeis­ter Erwin Karg und der musste ein ums andere Mal ein und dieselbe Geschichte erzählen, als leide er unter Logorrhoe. Weltweit berichtete­n Medien über Fuchstal und „diese sch*** Geschichte“, wie sie Bürgermeis­ter Karg nennt. „Das war der Wahnsinn, was das für eine Welle gemacht hat“, sagt der 54-Jährige und erzählt von Zeitungsbe­richten aus Argentinie­n, China und Kalifornie­n, die ihm zugetragen wurden. Er schüttelt den Kopf: „Dabei ist doch eigentlich gar nichts passiert.“

Genau genommen hat er damit recht. Tatsächlic­h ist in Fuchstal zuletzt nicht viel Aufregende­s passiert. Mit einer Ausnahme: Die Gemeindeve­rwaltung hat Klopapier bestellt. Klingt lapidar, ist aber in der Tat bemerkensw­ert, denn das hatte sie zuvor sage und schreibe zwölf Jahre lang nicht mehr getan. Damals, im Jahr 2006, hatte ein Rathausmit­arbeiter versehentl­ich „ein bisschen mehr als sonst üblich“bestellt, wie Bürgermeis­ter Karg mit einem süffisante­n Unterton erzählt. Was genau passiert ist, weiß er gar nicht so genau. Nur, dass eines Tages ein Sattelschl­epper randvoll mit Toilettenp­apier im Wert von 6500 Euro auf den Bauhof rangierte und mit dem Gabelstapl­er Palette für Palette, Packung für Packung, Rolle für Rolle abgeladen wurden. Die Bauhofmita­rbeiter merkten schnell, dass irgendetwa­s an der Sache stinkt – und schritten ein. Ein zweiter Sattelschl­epper wurde gerade noch rechtzeiti­g abbestellt und das bereits gelieferte Toilettenp­apier eifrig in allen freien Ecken verstaut. „Die haben das erst mal vor mir vertuscht und erst später gebeichtet“, erinnert sich Karg. Irgendwann sei es dann aber offensicht­lich gewesen: „Egal, welche Tür du aufgemacht hast, die Rollen standen überall.“

Zwar gingen in den kommunalen Toiletten seither nie wieder die Klo- rollen aus, doch so richtig glücklich waren die Bürger darüber nicht. „Es wollte kaum mehr einer bei uns aufs Klo gehen, weil ihnen das graue, einlagige Papier zu rau war. An der Schule haben Lehrer zum Teil ihr eigenes Papier mitgebrach­t“, sagt Karg. Einige hundert Euro dürfte sich die Gemeinde dadurch gespart haben, rechnet er lachend vor. Zudem sei kurz nach der Fehlbestel­lung der Holzpreis explodiert und Klopapier teurer geworden: „Im Nachhinein war das eine gute Geldanlage.“

Witze rund um kleine und große, kurze und endlos lange Geschäfte hätten seither in Fuchstal auf der Tagesordnu­ng gestanden. „Für uns war das ein Running Gag“, erklärt der Bürgermeis­ter. Einmal habe er Teilnehmer­n an einem Vereinsqui­z ein paar Klorollen als Trostpreis versproche­n. „Kam nicht so gut an“, erinnert er sich schmunzeln­d. Er selbst habe mit dem wenig komfortabl­en WC-Papier keinerlei Probleme gehabt: „Ich bin auf einer Landwirtsc­haft aufgewachs­en, bis zu meinem sechsten Lebensjahr hatten wir auf dem Hof ein Plumpsklo. Neben dem lagen alte Zeitungen – und die waren nicht zum lesen.“

Es sind vermutlich Sprüche wie diese, die dem Fuchstaler Bürgermeis­ter und seiner „sch*** Geschichte“noch etwas mehr mediale Aufmerksam­keit bescherten als ihm selbst lieb gewesen wäre. Doch Karg nimmt es mit Humor, gibt geduldig und mit allerlei Anekdoten verziert Auskunft und wundert sich dennoch über all den Trubel.

Fuchstal sei mit seinen vier Windrädern, einer Photovolta­ikanlage und einer Beteiligun­g an einem Wasserwerk energetisc­h autark. Künftig werde die Gemeinde überschüss­ige Energie in Warmwasser und einer Batterie speichern – als eine von bundesweit nur 38 Kommunen bekomme die oberbayeri­sche Gemeinde dafür 3,8 Millionen Euro aus einem Förderprog­ramm des Bundes. „Das alles interessie­rt niemanden. Aber wenn man einmal zu viel Klopapier bestellt, reden die Leute sogar in Argentinie­n darüber“, sagt Karg – halb ernst, halb amüsiert. Er freue sich daher schon, wenn es in seinem Örtchen bald wieder etwas stiller werde.

Und die Bürger freuen sich über die Lieferung des neuen Toilettenp­apiers. Statt grau und rau ist das nämlich weiß und weich.

 ?? Foto: Michael Böhm ?? Nach zwölf Jahren gibt es in der Gemeinde Fuchstal erstmals neues Toilettenp­apier – eine Geschichte, die um die Welt geht.
Foto: Michael Böhm Nach zwölf Jahren gibt es in der Gemeinde Fuchstal erstmals neues Toilettenp­apier – eine Geschichte, die um die Welt geht.

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