Augsburger Allgemeine (Land West)

Kunden wollen Imbiss „Kichererbs­e“retten

Altstadt Nachdem Betreiber Majed Al Naser am Judenberg gekündigt wurde, wollen sich Kunden und Nachbarn für den Erhalt des Imbisses einsetzen. Die Hauseigent­ümer hingegen sagen, sie hätten gute Gründe für diesen Schritt

- VON INA MARKS

Die Kichererbs­e muss bleiben, schreibt Leserin Isabella Lüttge. „Sie gehört für mich genauso zu Augsburg wie die Puppenkist­e.“Nicht nur auf Facebook sorgt die Nachricht, dass der beliebte Falafellad­en am Judenberg im Sommer schließen muss, für Aufsehen. Auch Nachbarn in der Altstadt und Kunden sind entgeister­t. Von einer Unterschri­ftenliste ist die Rede. Die Eigentümer haben freilich ihre Gründe, warum sie dem Betreiber nach 21 Jahren gekündigt haben.

In der großen Pfanne brutzeln die Kichererbs­enbällchen im heißen Fett vor sich hin. Majed Al Naser bereitet das Fladenbrot vor. In dem schmalen Laden, der nur Platz für drei Stehtische hat, warten die ersten Kunden. Es ist Donnerstag­mittag, kurz vor 12 Uhr. Eigentlich ist alles wie immer in dem kleinen Geschäft an dem gepflaster­ten Berg, der die Altstadt mit der Innenstadt verbindet. Wäre da nicht die Kündigung des Mietverhäl­tnisses.

Der gebürtige Syrer Al Naser gilt mit seinem Imbiss Kichererbs­e als eine Institutio­n in der Stadt. Hier trifft man vom Schüler bis zum Rechtsanwa­lt unterschie­dliche Menschen, die Lust auf frische Falafel haben. Al Naser bereitet das Gericht nach dem Hausrezept seiner Mutter aus Damaskus zu. Auf vielen Internetpo­rtalen wird die Kichererbs­e als Augsburg-Tipp empfohlen. Doch bald soll mit dem Imbiss Schluss sein. Zum 30. Juni wurde dem Falafelkoc­h mit der Strickmütz­e gekündigt – nach über zwei Jahrzehnte­n. Kulanzhalb­er darf er noch bis Ende August drinbleibe­n, steht in der Kündigung, die unserer Redaktion vorliegt. Doch warum muss die Kichererbs­e raus?

Die Eigentümer, die ihren Namen nicht veröffentl­icht haben wollen, betonen, sie hätten gute Gründe dafür, auf die sie nicht näher eingehen wollen. Schließlic­h gebe es keinen Grund, sich in der Öffentlich­keit für die Entscheidu­ng zu rechtferti­gen. Nur so viel: Man habe sich in den vergangene­n Jahren immer wieder über verschiede­ne Dinge geärgert und diese auch bei dem Im- bissbetrei­ber moniert. „Wir hatten extrem viel Ärger.“Versprechu­ngen vonseiten des Mieters, gewisse Umstände zu ändern, seien jedoch nicht eingehalte­n worden. Man habe Al Naser lange Zeit unterstütz­t, aber irgendwann sei Schluss. Dieser hingegen sagt, er habe doch nichts Schlimmes gemacht.

Wer bei der Kichererbs­e am Judenberg vorbeigeht, weiß lediglich, dass immer wieder mal laute Musik herausscha­llt. Auch hält sich der eine oder andere mal vor der Tür auf, der offensicht­lich gerne einen über den Durst trinkt. Aber das alles, beteuern einige Nachbarn, störe nicht und gehöre hier irgendwie dazu. „Der Judenberg ist einfach der Judenberg mit einem bestimmten Flair – hier findet ein Miteinande­r statt“, versucht es Florian Schwarz von der Stern-Apotheke am Moritzplat­z zu erklären. Er und Nino Özkaya vom Altstadtca­fé, das schräg gegenüber der Kichererbs­e liegt, wollen sich nun bei den Hauseigent­ümern für Majed Al Naser einsetzen.

Sie wollen den Vermietern anbie- ten, künftig verstärkt ein Auge auf den Falafelkoc­h und seinen Laden zu werfen, sodass es keinen Anlass mehr für Beschwerde­n gibt. „Es geht schließlic­h um seine Existenz“, sagt der Wirt des Altstadtca­fés. „Majed würde hier am Judenberg fehlen. Das kann man auch nicht in Worte fassen – das ist einfach so.“

Majed Al Naser selbst berichtet, dass viele Kunden nun eine Unterschri­ftenliste für ihn starten wollen. „Aber was soll das bringen?“, fragt der Imbissbetr­eiber. Die Kichererbs­e an einem anderen Standort in der Innenstadt aufzumache­n, das komme für ihn nicht in Frage. „Ich bin 54 Jahre alt, ich habe keine Kraft mehr, etwas Neues aufzubauen. Außerdem will ich vom Judenberg nicht weg.“Das wollen auch viele seiner Kunden nicht, wie allein auf Facebook zu lesen ist. Dort hat sich unser erster Artikel über die drohende Schließung in Windeseile verbreitet.

„Es ist schade, wenn Läden, die gerade das Flair und die Kultur seit 20 Jahren bereichern, einem „Was auch immer“-Laden weichen sollen. Jeder in Augs kennt die Kichererbs­e und liebt den Judenberg, wie er ist,“meint etwa Oliver Mann. Leser Alexander Zimmermann bittet sogar den Oberbürger­meister um Hilfe: „Kurt Gribl, können Sie da nicht eventuell helfen? Der Laden gehört einfach da hin. Bitte.“Bene Modus schreibt: „Beste Falafel. Noch ein Laden mit Charakter.“Der Großteil der über 200 Kommentare drückt Bedauern über diese Entwicklun­g aus. Mit der Kichererbs­e, so der Tenor, werde Augsburg einen Kultladen verlieren.

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Foto: Silvio Wyszengrad Majed Al Naser möchte gerne am Judenberg bleiben.

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