Augsburger Allgemeine (Land West)
Eltern im Kaufrausch
Warum es fast schade ist, dass Babys kein Spielzeug brauchen
Ich gebe es zu. Manchmal bin ich so richtig im Kaufrausch. Da lege ich meine schwäbische Mentalität ab und gehe so richtig schön shoppen. Die Objekte meiner Begierde: Spielsachen. Bunt sollen sie sein, gerne aus Holz und sie dürfen rascheln und rasseln. Oft muss ich mich richtig zurückhalten, um mein Kind nicht zuzuschütten mit den vielen tollen Sachen.
Dazu kommt, dass es den Großeltern, Tanten, Onkeln, Bekannten und Freunden genauso geht und sie auch gerne etwas schenken. Mein Sohn kann daher Spielwürfel, Greifringe, eine beachtliche Anzahl an Teddys zum Kuscheln, Greifen und Musikvorspielen sowie diverse weitere pädagogisch hochwertvolle Spielsachen sein Eigen nennen.
Als Erwachsener hat man nun die Vorstellung, dass das Kind damit spielt, glücklich ist und sich eine Weile damit alleine beschäftigt. Aber was passiert in der Realität? Mein Sohn und ich liegen auf dem Boden. Um uns herum die von mir sorgsam drapierten Spielsachen. Meine kühne Hoffnung: Das Kind soll damit spielen und ich lese Zeitung. Das gelingt ungefähr eine halbe Minute. Denn dann robbt mein Sohn in einer beängstigenden Geschwindigkeit heran, krallt sich meine Lektüre und will sie sich in den Mund stopfen.
Einerseits verzückt angesichts seines süßen Gesichtsausdrucks, andererseits entsetzt hinsichtlich der Druckerschwärze versuche ich mit sanfter Gewalt das Papier wieder an mich zu bringen. Ich lerne also: Zeitung ist großartig, Stapelwürfel und Co. nur mittelmäßig interessant.
Babys brauchen kein Spielzeug, stelle ich fest. Was viel besser ist: Plastikdosen, Kochlöffel, Süßstoffspender, Taschentuchpackungen, Wickelunterlagen, Socken und Windeln. Vermutlich ist die Liste nicht vollständig. Meine nächste Shoppingtour wird mich also in den Supermarkt führen.
Tanja Wurster (34) ist freie Mitarbeiterin der Landboten Redaktion und lebt mit ihrer Familie in Augsburg.