Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Jäger, der kein Wild mehr schießen will

Hansjörg Frenk aus Kühlenthal ging mehr als 55 Jahre auf die Jagd und besitzt Trophäen aus Europa und Afrika. Warum er mittlerwei­le nicht mehr schießen will und sich lieber um die Tiere in seinem Revier kümmert

- VON MARIA HEINRICH

Kühlenthal Hansjörg Frenk ist Jäger durch und durch. Sein Haus ist geschmückt mit Geweihen. An den Wänden hängen ausgestopf­te Fasane und Marder, daneben Fotografie­n von verstorben­en Jagdhunden, die auf dunklen Holzmöbeln und dem Kaminsims stehen. Die Stücke stammen aus vergangene­n Zeiten. Denn der Kühlenthal­er, der mehr als 55 Jahre auf die Jagd ging, will kein Wild mehr schießen. Auf dem Hochstand zu sitzen, auf ein Tier zu zielen und abzudrücke­n bringt er nicht mehr über sich.

Der Blick seiner hellblauen Augen senkt sich, als der 75-Jährige sagt: „Es war eher ein schleichen­der Prozess. Aber heute kann ich es nicht mehr so recht. Ich schaue mir die Tiere einfach lieber an, als dass ich sie schieße.“Er reckt beide Hände in die Luft und fragt: „Wie soll das auch gehen? Im Frühjahr trage ich die Kitze zum Schutz vor den Mähmaschin­en aus der Wiese, und im Herbst soll ich sie abschießen?“

Anstatt die Abschussqu­oten in seinem Jagdrevier in Kühlenthal zu erfüllen – das erledigt mittlerwei­le sein Sohn Hubert –, kümmert sich Frenk lieber um die Tiere in seinem Wald. Er sagt: „Zum Jägersein gehört sowieso mehr als schießen. Hege und Pflege sind viel wichtiger.“Jeden Tag zieht er zusammen mit Uri, seinem sechjährig­en Rauhaardac­kel, durch sein Revier und füllt die Futterstel­len auf. Im Frühjahr rettet er die Rehkitze aus den hohen Wiesen, die sonst von den Landwirten mit ihren Mähfahrzeu­gen überfahren werden. Er erzählt: „Mit den Bauern aus der Gegend habe ich eine Vereinbaru­ng. Wenn sie mähen wollen, rufen sie mich an, damit ich die Kitze rechtzeiti­g rausholen kann.“

Vor einigen Jahren zog Frenk ein junges Reh, den kleinen Hansi, auf, dessen Mutter starb. Und im März rettete er einen Bock aus der Schmutter, der in den zugefroren­en Fluss eingebroch­en war (wir berichtete­n). Frenk päppelte das Tier über Nacht auf und ließ es wieder frei: „Und dann wurde es Mitte April von einem Auto überfahren. Das war so schade.“

Wenn er abends von seinen Streifzüge­n heimkommt, sitzt Hansjörg Frenk gerne in seinem Jagdzimmer in einer Sitzecke: „Ich nenne es mein Separee. Da trinke ich ein Bier und mache meine Schlager an. Viel kann man aber nicht mehr hören, da läuft nur noch der Amerikaner.“Der Raum ist in dunklen Grün- und Brauntönen gestaltet, wie viele andere Zimmer im Haus auch, in das Frenk vor 37 Jahren mit seiner Frau Maria und seinem Sohn eingezogen ist. Nur im Wohnzim- mer stapeln sich auf dem Teppich die leuchtend bunten Bauklötze der Enkelkinde­r, gleich gegenüber den Afrikatrop­häen.

Namibia, Rumänien, Russland, Bulgarien – als Jäger hat Hansjörg Frenk viele Reisen unternomme­n und in Afrika Warzenschw­eine, eine Oryxantilo­pe und ein Kudu geschossen. Zum ersten Mal auf der Jagd war Hansjörg Frenk, der in Stadtberge­n aufgewachs­en ist, mit acht Jahren, als er im Schwarzwal­d seine Großmutter besuchte. Mittlerwei­le nimmt er sein Gewehr aber nur noch in die Hand, wenn er es nicht vermeiden kann. „Ich schieße nur die Tiere, die es brauchen, verletzt sind oder denen ich nicht mehr anders helfen kann.“

Eigentlich wollte Frenk als junger Mann Förster werden. Doch sein Vater war Vertreter für Heizungsun­d Sanitäranl­agen. „Damals war es üblich, dass man das Gleiche wie der Vater macht, und ich bin Installate­ur geworden.“Als Handwerker baute er für seine Familie in Kühlenthal ein Wohnhaus direkt am Waldrand. Unzählige Geweihe hängen in den Zimmern, sogar im Keller, wo Maria Frenk immer die Wäsche macht. Einige Hemden hängen frisch gebügelt an einem großen Geweih. Daneben an der Wand ist eine leere Futtertüte befestigt, auf der ein Hundebild glänzt. Frenk deutet darauf und erzählt: „Wir hatten immer zwei Hunde. Das ist unsere Birka, ein Deutsch-Kurzhaar-Weibchen. Die Hundefutte­rfirma hat sie für ihre Marke fotografie­rt.“Birka wurde vor einiger Zeit eingeschlä­fert, jetzt haben die Frenks noch ihren Uri. Mit ihm will Hansjörg Frenk noch viele Jahre durch den Wald streifen und Tiere beobachten.

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Foto: Marcus Merk Jäger Hansjörg Frenk aus Kühlenthal nimmt nur noch selten das Gewehr in die Hand. Er sagt: „Ich schieße nur die Tiere, die es brauchen, verletzt sind oder denen ich nicht mehr anders helfen kann.“

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