Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Euro als „deutscher Käfig“
In Italien wird der 81-jährige EU-Kritiker Paulo Savona als Finanzminister der Populisten gehandelt
Rom Die Auswahl des künftigen Ministerpräsidenten war eine schwere Geburt. Seit Mittwochabend, 80 Tage nach der Parlamentswahl in Italien, steht die Nominierung des politisch völlig unerfahrenen Rechtswissenschaftlers Giuseppe Conte als Premierminster fest.
Nun gibt es in Rom einen Machtkampf um die Besetzung des nächsten Schlüsselpostens. Ein Wirtschaftsund Finanzminister für das Kabinett Conte muss gefunden werden. Die beiden populistischen Regierungsparteien Fünf-Sterne-Bewegung und Lega haben sich dabei bereits auf einen umstrittenen Kandidaten geeinigt, den 81-jährigen Euro-Skeptiker Paolo Savona. Staatspräsident Sergio Mattarella hat das letzte Wort. Ob er einen Mann wie Savona akzeptiert, ist alles andere als gewiss.
„Savona ist die Figur, die Italien ins Zentrum der Debatte in Europa zurück bringen kann“, sagte LegaChef Matteo Salvini am Donnerstag in einem Video auf Facebook. Diese Töne ergänzen sich aufs Beste mit den Vorstellungen des Wirtschaftswissenschaftlers Savona. In einer dieser Tage in Italien erscheinenden Autobiografie bezeichnet Savona den Euro als „deutschen Käfig“und beschwert sich über die wirtschaftliche Hegemonie der Bundesrepublik als „Supermacht“in Europa. Eine Nominierung des Ökonomen als Hüter der italienischen Staatsfinanzen käme einer Provokation gleich.
Interviews des Wirtschaftswissenschaftlers aus jüngerer Zeit sind gespickt mit Polemik gegen die EU. „Die Schwierigkeiten der EU sind ihrer Führungselite zuzuschreiben. Sie behaupten, sich fürs Volk zu interessieren. In Wahrheit kümmern sie sich nur um sich selbst“, sagte der Ökonom in einem Gespräch. In einem anderen Interview schlägt Savona vor, einen „Plan B für den Ausstieg aus dem Euro“zu schmieden, „wenn wir keine andere Wahl hätten“. Andernfalls ende Italien wie Griechenland. Der Euro-Austritt Italiens ist ein Tabu-Thema, nicht nur für die meisten EU-Politiker, sondern auch für Staatschef Mattarella. Er legt auf die Vertragstreue Italiens in der EU und Garantien im Hinblick auf das 2300 Milliarden Euro hohe Staatsdefizit wert, das die drittgrößte EU-Volkswirtschaft anfällig für die Finanzspekulation macht.
Anklänge an einen Euro-Austritt Italiens fanden sich bereits in einem Entwurf des Koalitionsvertrags von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega. In der aktuellen Fassung ist davon allerdings nicht mehr die Rede. Beide Parteien gelten als EU- und eurokritisch. Nun wird hinter den Kulissen verhandelt. Auf der einen Seite die Parteichefs Luigi Di Maio (Fünf-Sterne-Bewegung) und Salvini (Lega), auf der anderen Staatspräsident Mattarella. Dazwischen bewegt sich der designierte Ministerpräsident Conte, der nicht nur mit Ungenauigkeiten in seinem Lebenslauf aufmerken ließ. Laut italienischen Medien wurde Contes Eigentumswohnung gepfändet, weil er Steuern und Strafzettel nicht bezahlt hatte. Diese Schulden sollen inzwischen aber beglichen sein.
Conte hatte sich in seinem ersten Statement am Mittwoch eher mild im Hinblick auf die Ausrichtung seiner Regierung gegeben. „Ich bin mir der Notwendigkeit bewusst, die europäische und internationale Verortung Italiens zu bestätigen“, sagte der künftige Premier. Seine Regierung wolle sich so schnell wie möglich in die Verhandlungen zu EUHaushalt, Reform des Asylrechts sowie der Vervollständigung der Bankenunion einschalten.
Das Prozedere sieht nun vor, dass der designierte Premier dem Staatspräsidenten eine Minister-Liste übergibt, das könnte schon diesen Freitag passieren. Akzeptiert der Staatspräsident alle Namen, wäre schon am Wochenende die Vereidigung der 65. italienischen Regierung der Nachkriegszeit denkbar. Anfang kommender Woche könnte sich die neue Exekutive dann der Vertrauensabstimmungen in beiden Kammern des Parlaments stellen. Während viele Posten noch verhandelt werden, gilt die Nominierung von Lega-Chef Salvini als Innenminister als sicher. Der 45-Jährige hatte im Wahlkampf massenhafte Abschiebungen und eine rigorose Flüchtlingspolitik versprochen. Auch Fünf-Sterne-Chef Di Maio soll der Regierung angehören, wahrscheinlich als Arbeitsminister.