Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Wort unter Männern
Laut einer Allensbach-Umfrage finden 45 Prozent der Deutschen, dass die MeToo-Debatte übers Ziel hinausschießt – bei Männern sei der Wert noch höher, heißt es. So weit, so gut. Aber dann lauscht man am Nebentisch in einem Restaurant zufällig zwei dem äußerlichen Eindruck nach gut situierten Herren, die sich gegenseitig bemitleiden und Sätze sagen wie: „Bald müssen wir Männer ja Angst davor haben, Frauen Komplimente zu machen.“Ist das wirklich so? Oder wollen wir Herren der Schöpfung uns das zu einfach machen? Alles nur weibliche Befindlichkeit. Tatsache ist: Zwischen sexueller Belästigung und einem Kompliment ist ein Unterschied. So schmal ist der Grat nicht, auf dem man wandelt, wenn man sich Frauen gegenüber anständig benehmen will.
Ein anderer Aspekt an der öffentlichen Debatte ist der Umstand, dass man den Eindruck gewinnt, sexuelle Belästigung komme praktisch nur im Filmgeschäft vor, wo die Regisseure und Produzenten ihre Allmacht an armen Schauspielerinnen ausleben. Tatsache aber ist, dass Frauen auch an unspektakulären Arbeitsplätzen übergriffige Männer erleben. Mehr als die Hälfte der weiblich Beschäftigten hat sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erduldet oder beobachtet, weiß man beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Der gibt für alle interessierten Unternehmen, Betriebsräte und Zeitgenossen, die wissen wollen, wo die Grenze zum Schamlosen ist, einen Leitfaden zum Thema heraus. Da steht drin, wie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verhindert werden kann.
Und diese beginnt schon im vermeintlich Kleinen: Wer sexistische Sprüche macht oder schlüpfrige Witze reißt, dem muss gezeigt werden, dass ein solches Verhalten nicht erwünscht ist, heißt es da. Ebenso hätten sogenannte Pin-upKalender nichts in Unternehmen zu suchen.