Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf die Piste, fertig, los
Wintersport unter der Lupe: Vereinsmitglieder und Naturschützer aus der Region berichten, warum sich die Ansprüche ändern und welche Formen das Erlebnis in der Natur annehmen könnte
Eine Woche lang geht es in der Zeitung ums Thema Skifahren: Ist der Wintersport überhaupt noch zeitgemäß? Mehr dazu lesen Sie heute auf
Landkreis Augsburg Wechselhafte Winter mit mal mehr und mal weniger Schnee, Tauziehen um neue Liftanlagen, Staus auf dem Weg ins Skigebiet und ständig steigende Preise: Ist Skifahren überhaupt noch zeitgemäß? Das ist die kritische Ausgangsfrage für den Themenschwerpunkt, den die Redaktion in dieser Woche setzt. Jeden Tag gibt es in der Zeitung einen Beitrag zum Wintersport, der jedes Jahr rund vier Millionen Skifahrer in die Alpen zieht.
Gemessen an den Kurszahlen der Skivereine im Landkreis scheint die Begeisterung für das viel besungene „Schifoan“ungebrochen. „Die Nachfrage ist stabil. Und groß. Heuer ist sie – wahrscheinlich auch bedingt durch den guten Winter – noch größer“, berichtet Sebastian Kaderk vom Skiteam DJK Leitershofen. Die Resonanz „mit Tendenz nach oben“bestätigt Erich Pux vom Skiclub Neumünster – der Verein gehört zu den jüngsten in der Region. 1980 gegründet, hat er rund 280 Mitglieder. Was Vorstandsmitglied
Pux allerdings zunehmend feststellt:
Das Verhalten der Skifahrer hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Die Wintersportler seien sprunghafter geworden. Heute werde zum Beispiel bis zuletzt mit einer Zusage für die Teilnahme an einer organisierten Vereinsreise abgewartet. Früher sei das anders gewesen.
Liegt’s vielleicht daran, dass das Skifahren teurer geworden ist und jeder für sein Geld nur noch optimale Pistenverhältnisse und Sonne abwarten will? Auf diese Frage geht Jil Metzger ein. Sie engagiert sich als stellvertretende Kassierin bei der Ski-Abteilung des TSV Gersthofen und als stellvertretende Vorsitzende beim SWV Fischach. Sie sagt: „Wir arbeiten mehr, haben mehr Druck, bringen Familie und Job unter einen Hut. Da rückt ein Sport, den man nur im Winter ausüben kann und zu dem man noch lange Anreisen hat, eher in den Hintergrund. In unserer flexiblen Welt suchen wir Hobbys, die sich auch flexibel gestalten lassen.“Nicht Staus und unsichere Schneeverhältnisse würden den Ausschlag geben, sondern unsere Lebensumstände. Genau auf die geht auch Johannes Enzler von der Kreisgruppe des Bund Naturschutz ein. Er sagt: „Jeder will sofort und jederzeit an jeden Ort kommen. Wir leben in einer Gesellschaft der Ad- hoc-Erlebnisse.“Ein Ausfluss der grenzenlosen Mobilität ist dann die Blechlawine, die an Wochenenden in und dann wieder aus den Bergen rollt. Die Vorsitzende des Ski- und Wandervereins Fischach, Theresia Wunderer, sieht das entspannt. Ihr Tipp: Früher losfahren und vielleicht vor Ort noch einen Kaffee trinken. Oder gleich eine Vereinshütte nutzen. Sie sagt: „Auch früher war der Verkehr nicht weniger, vielleicht hat man heute weniger Zeit, um zu warten.“Wunderer erinnert sich an die kritische Bemerkung eines Schweizer Bergwachtmitglieds: „Die Leute bringen den Stress aus der Stadt inzwischen mit in die Berge: Sie wollen auf schnellstem Weg ins Skigebiet, mit der teuersten Ausrüstung möglichst viele Abfahrten schaffen, um ihre Tageskarte auszunutzen, wollen ein ausgiebiges, veganes und glutenfreies Mittagessen wie in der Großstadt, drängeln dann beim Anstehen und erzählen daheim, sie hätten sich in der Natur erholt.“
Stressfrei in die Berge – geht das überhaupt noch? „Wir bilden Fahrgemeinschaften“, sagt Skitourengeher Gerhard Mayer von der Alpenvereinssektion Gersthofen. Zuletzt war eine Gruppe der familiären Gemeinschaft auf dem Hählekopf im Kleinwalsertal. Der Alpenverein – immerhin einer der größten Vereine des Landes – rät grundsätzlich zu umweltverträglicher Beförderung mit Bus und Bahn. Im Winter wie im Sommer. Ins selbe Horn stößt Johannes Enzler vom Bund Naturschutz. Neben dem Verkehr hält er auch die Beschneiung für problematisch. Doch ohne geht’s kaum noch. Denn Schneekanonen sorgen für sichere Pistenverhältnisse.
Wie der Wintersport in den Alpen in Zukunft aussehen wird, mutmaßt Gerhard Mayer vom DAV: „Die kleinen Skigebiete unten verlieren, die oben gewinnen dazu, es wird immer exklusiver.“Auch Sebastian Kaderk merkt kritisch an: Ob das Wettrüsten der Mega-Skigebiete angemessen ist, könne man hinterfragen. Aber: „Das Skifahren an sich ist aus meiner Sicht ein motivierendes Naturerlebnis, welches auch in Zukunft unseren Kindern ermöglicht werden muss. Skifahren ist ein emotionales Erlebnis. Die Kombination aus Sport, Natur und Gemeinschaft macht es so wertvoll.“Theresia Wunderer meint: „Sport und Bewegung in der Natur sind besser als PC-Spiele im Kinderzimmer.“