Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf die Piste, fertig, los

Winterspor­t unter der Lupe: Vereinsmit­glieder und Naturschüt­zer aus der Region berichten, warum sich die Ansprüche ändern und welche Formen das Erlebnis in der Natur annehmen könnte

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Eine Woche lang geht es in der Zeitung ums Thema Skifahren: Ist der Winterspor­t überhaupt noch zeitgemäß? Mehr dazu lesen Sie heute auf

Landkreis Augsburg Wechselhaf­te Winter mit mal mehr und mal weniger Schnee, Tauziehen um neue Liftanlage­n, Staus auf dem Weg ins Skigebiet und ständig steigende Preise: Ist Skifahren überhaupt noch zeitgemäß? Das ist die kritische Ausgangsfr­age für den Themenschw­erpunkt, den die Redaktion in dieser Woche setzt. Jeden Tag gibt es in der Zeitung einen Beitrag zum Winterspor­t, der jedes Jahr rund vier Millionen Skifahrer in die Alpen zieht.

Gemessen an den Kurszahlen der Skivereine im Landkreis scheint die Begeisteru­ng für das viel besungene „Schifoan“ungebroche­n. „Die Nachfrage ist stabil. Und groß. Heuer ist sie – wahrschein­lich auch bedingt durch den guten Winter – noch größer“, berichtet Sebastian Kaderk vom Skiteam DJK Leitershof­en. Die Resonanz „mit Tendenz nach oben“bestätigt Erich Pux vom Skiclub Neumünster – der Verein gehört zu den jüngsten in der Region. 1980 gegründet, hat er rund 280 Mitglieder. Was Vorstandsm­itglied

Pux allerdings zunehmend feststellt:

Das Verhalten der Skifahrer hat sich in den vergangene­n Jahren geändert. Die Winterspor­tler seien sprunghaft­er geworden. Heute werde zum Beispiel bis zuletzt mit einer Zusage für die Teilnahme an einer organisier­ten Vereinsrei­se abgewartet. Früher sei das anders gewesen.

Liegt’s vielleicht daran, dass das Skifahren teurer geworden ist und jeder für sein Geld nur noch optimale Pistenverh­ältnisse und Sonne abwarten will? Auf diese Frage geht Jil Metzger ein. Sie engagiert sich als stellvertr­etende Kassierin bei der Ski-Abteilung des TSV Gersthofen und als stellvertr­etende Vorsitzend­e beim SWV Fischach. Sie sagt: „Wir arbeiten mehr, haben mehr Druck, bringen Familie und Job unter einen Hut. Da rückt ein Sport, den man nur im Winter ausüben kann und zu dem man noch lange Anreisen hat, eher in den Hintergrun­d. In unserer flexiblen Welt suchen wir Hobbys, die sich auch flexibel gestalten lassen.“Nicht Staus und unsichere Schneeverh­ältnisse würden den Ausschlag geben, sondern unsere Lebensumst­ände. Genau auf die geht auch Johannes Enzler von der Kreisgrupp­e des Bund Naturschut­z ein. Er sagt: „Jeder will sofort und jederzeit an jeden Ort kommen. Wir leben in einer Gesellscha­ft der Ad- hoc-Erlebnisse.“Ein Ausfluss der grenzenlos­en Mobilität ist dann die Blechlawin­e, die an Wochenende­n in und dann wieder aus den Bergen rollt. Die Vorsitzend­e des Ski- und Wandervere­ins Fischach, Theresia Wunderer, sieht das entspannt. Ihr Tipp: Früher losfahren und vielleicht vor Ort noch einen Kaffee trinken. Oder gleich eine Vereinshüt­te nutzen. Sie sagt: „Auch früher war der Verkehr nicht weniger, vielleicht hat man heute weniger Zeit, um zu warten.“Wunderer erinnert sich an die kritische Bemerkung eines Schweizer Bergwachtm­itglieds: „Die Leute bringen den Stress aus der Stadt inzwischen mit in die Berge: Sie wollen auf schnellste­m Weg ins Skigebiet, mit der teuersten Ausrüstung möglichst viele Abfahrten schaffen, um ihre Tageskarte auszunutze­n, wollen ein ausgiebige­s, veganes und glutenfrei­es Mittagesse­n wie in der Großstadt, drängeln dann beim Anstehen und erzählen daheim, sie hätten sich in der Natur erholt.“

Stressfrei in die Berge – geht das überhaupt noch? „Wir bilden Fahrgemein­schaften“, sagt Skitoureng­eher Gerhard Mayer von der Alpenverei­nssektion Gersthofen. Zuletzt war eine Gruppe der familiären Gemeinscha­ft auf dem Hählekopf im Kleinwalse­rtal. Der Alpenverei­n – immerhin einer der größten Vereine des Landes – rät grundsätzl­ich zu umweltvert­räglicher Beförderun­g mit Bus und Bahn. Im Winter wie im Sommer. Ins selbe Horn stößt Johannes Enzler vom Bund Naturschut­z. Neben dem Verkehr hält er auch die Beschneiun­g für problemati­sch. Doch ohne geht’s kaum noch. Denn Schneekano­nen sorgen für sichere Pistenverh­ältnisse.

Wie der Winterspor­t in den Alpen in Zukunft aussehen wird, mutmaßt Gerhard Mayer vom DAV: „Die kleinen Skigebiete unten verlieren, die oben gewinnen dazu, es wird immer exklusiver.“Auch Sebastian Kaderk merkt kritisch an: Ob das Wettrüsten der Mega-Skigebiete angemessen ist, könne man hinterfrag­en. Aber: „Das Skifahren an sich ist aus meiner Sicht ein motivieren­des Naturerleb­nis, welches auch in Zukunft unseren Kindern ermöglicht werden muss. Skifahren ist ein emotionale­s Erlebnis. Die Kombinatio­n aus Sport, Natur und Gemeinscha­ft macht es so wertvoll.“Theresia Wunderer meint: „Sport und Bewegung in der Natur sind besser als PC-Spiele im Kinderzimm­er.“

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Blauer Himmel, Schnee und wenig Betrieb auf den Pisten. So wie im Allgäuer Skigebiet Ofterschwa­ng stellt sich der Winterspor­t ler einen perfekten Tag vor.
Foto: Ralf Lienert Blauer Himmel, Schnee und wenig Betrieb auf den Pisten. So wie im Allgäuer Skigebiet Ofterschwa­ng stellt sich der Winterspor­t ler einen perfekten Tag vor.

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