Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Kommunalpolitiker packt aus
Heimatgeschichte In seinem Buch „Chefsache“rechnet Hermann Weldishofer ab und schont auch sich selbst nicht
Von Manuela Uhl aus Höchstädt heißt es, dass sie das Buch bei der ersten Lektüre gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Klar, als Ehefrau des Mannes, der seit dem Jahr 2014 der schmucken Gemeinde an der Zusam vorsteht, sollte man auf dem Laufenden sein. Die Begeisterung könnte aber auch noch andere Gründe haben. Der Autor, eigentlich „nur“ExKommunalpolitiker, kann packend schreiben.
Dass sein jüngst erschienener Band „Chefsache“in der 6335-Seelen-Kommune fast in aller Munde ist und sich zum Gesprächsthema beim Einkauf wie am Friedhof entwickelt, dürfte Hermann Weldishofer selbst nicht ganz geheuer sein. Seine ungeschönte, bisweilen auch gnadenlose Bilanz aus „über 50 Jahren Kommunalpolitik, beobachtet, zeitweise mitgestaltet und kommentiert“– wie es im Untertitel vielverheißend heißt –, sorgt jedenfalls nicht überall für beste Stimmung.
Das streckenweise wie ein PolitKrimi wirkende, fast 350 Seiten starke Werk, handelt von vielen Protagonisten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und Handlungen sind – in Abwandlung eines bei aufregenden Kinofilmen üblichen Abspannes – nicht etwa rein zufällig, sondern bewusst herbeigeführt.
Der 68-Jährige, der gern immer wieder in seinem malerischen Garten an der Zusam ausspannt, ist ein echtes Zusmarshauser Gewächs. Unter Gemeinderäten kommen Buchautoren eher selten vor. Schade weil fast nur Insider Höhen wie Tiefen des Gemeindelebens jenseits von Sitzungsprotokollen so minutiös aufzeichnen und kommentieren können, wie Weldishofer es getan hat. Anderthalb Jahrzehnte nach Beendigung seiner Ratsarbeit, die 1977 begann, zeigt sich Weldishofer als kritischer Geist, der sich blitzschnell zu einem Riesengespenst erheben kann.
So konnte von dem Hobbydichter, dessen Buchtitel eine interessante wie schmucke Darstellung des alten Rathauses ziert, eigentlich eine klare Abrechnung mit Vergange- nem und dessen handelnden Personen erwartet werden. Fehlanzeige. Die geschätzten rund 80 000 Wörter strotzen nur so von feiner Selbstironie wie auch harscher Selbstkritik: „Ich war feige damals“, gesteht das frühere Ratsmitglied der Freien Wähler, das Mitte der 90er-Jahre sogar mehr Stimmen als die CSUKollegen erringen konnte.
Mit dem klaren Bekenntnis sind die vier Großbuchstaben KAMA verbunden, die für den abgekürzten Namen des Eigentümers der später pleite gegangenen Wohn- und Gewerbebaufirma stehen. Deren rückeigentlich, ständigen Erschließungsbeiträge waren damals in die Hunderttausende D-Mark und zulasten des Steuerzahlers gegangen.
Der Gemeinderat und damit auch Weldishofer ließ es geschehen, dass die heikle Sache vom Rathaus zur mysteriösen „Chefsache“erklärt und bis heute nicht vollständig aufgeklärt wurde. Weldishofer, der als 16 Jahre junger Bursche erstmals Gast einer Bürgerversammlung war und dabei Feuer für das Mandat im Rathausaal fing, hielt sich aus wahltaktischen Gründen zurück. Dass er es versäumt hatte, nachzubohren, empfindet der Senior bis heute als Makel.
Daher auch das Buchprojekt. Dem düsteren Kapitel seiner politischen Laufbahn sind in diesem historisch wie gesellschaftlich wichtigen Buch ganze drei Abschnitte gewidmet. Die Lektüre der weiteren Themenfelder, die lesefreundlich wie knackig und unterhaltsam aufbereitet wurden, lohnt dennoch. Sei es nur, um etwas über den geplanten 600 Meter langen Zusamsee oder den tatsächlich entstandenen Rothsee zu erfahren, über „das traurige Ende der Zusamklinik“oder das ewige Lied der geliebten wie verhassten Ortsumfahrungen.
Natürlich bekommen die Bürgermeister – außer dem amtierenden Bernhard Uhl – sowie weitere Mandatsträger ihr Fett ordentlich ab. Wenn dabei die Formulierungen des begeisterten Sketcheschreibers statt allzu deftig vielmehr diplomatisch daherkommen, ist das wohl seinem familiären Umfeld zuzuschreiben. Gute Charts, hilfreiche Kartenausschnitte und pfiffige Karikaturen runden das positive Bild dieses faszinierenden Lesestoffs ab. Und dann wären da noch – wieder ganz der spitzbübisch „Männe“genannte Hermann Weldishofer – viele Tipps für angehende Bürgermeister und Bürgervertreter. Hier brennt jemand noch immer für die Kommunalpolitik. Ansteckung nicht ausgeschlossen. O
Das Buch „Chefsache“, 348 Seiten, 9,95 Euro, erschienen im Eigenverlag, ist erhältlich bei Mein Buchladen in Zusmarshausen.