Augsburger Allgemeine (Land West)
Schierlings Wasserfenchel stoppt Elbe Projekt
Gericht Warum der für den Hamburger Hafen so wichtige Fluss noch nicht vertieft werden kann
Leipzig Der Frust in der Hamburger Hafenwirtschaft sitzt tief. Jahrelang haben die Behörden von Bund und Land Hamburg an ihren Plänen zur Elbvertiefung gearbeitet. Sie haben den Dialog mit ihren Kritikern gesucht, mit Fischern und Obstbauern an der Elbe, mit Naturschützern und Deichverbänden. Seit mehr als vier Jahren wird der Plan vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt, mehrfach wurden die Pläne nachgearbeitet und der Rechtslage angepasst.
Doch es hat immer noch nicht gereicht. Am Donnerstag befanden die Richter des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Pläne zwar im Wesentlichen rechtmäßig sind, aber eben nicht ganz. Weitere Nachbesserungen seien erforderlich. In der vorliegenden Form sei der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar. Bis die Bagger loslegen, dürfte mindestens ein weiteres Jahr vergehen.
Das ist für den größten deutschen Seehafen ein bedrohliches Szenario. „Hamburg steht im europäischen Wettbewerb mit Häfen wie Rotterdam und Antwerpen und hat bereits zahlreiche Aufträge und Arbeitsplätze an die Konkurrenz verloren“, sagt der Ältermann der Lotsenbrüderschaft Elbe, Ben Lodemann. „Es ist zu erwarten, dass Hamburg nun eine weitere Abwanderung der Ladungsströme erleben wird.“
Tatsächlich stagniert der Containerumschlag im Hafen und liegt auf dem gleichen Niveau wie vor zehn Jahren. Dazu haben eine Reihe weiterer Faktoren neben der ausbleibenden Elbvertiefung beigetragen. Der Hamburger Hafen ist mehr als eine touristische Kulisse: Eine Logistik-Drehscheibe für Nordeuropa, dazu ein riesiges Industriegebiet und das wirtschaftliche Herz der Hansestadt, verantwortlich für rund 150 000 Arbeitsplätze in der Region. Der größte Hafenkonzern HHLA versucht, aufkommende Ängste und Sorgen zu dämpfen. „Der Hamburger Hafen geht in keine ungewisse Zukunft“, sagt Vorstandschefin Angela Titzrath. Ein Grund für die erneute Vertagung der Elbvertiefung ist der Schutz des Schierlings-Wasserfenchels, einer gut mannshohen Uferpflanze, die nur an der Unterelbe wächst. Sie ist so streng geschützt, dass bei etlichen Logistikern das Verständnis für die Belange des Naturschutzes erschöpft ist. „Der Schierlings-Wasserfenchel soll schützenswerter sein als die Zukunftsfähigkeit einer der bedeutendsten Wirtschaftsbereiche Deutschlands und damit die Arbeitsplätze tausender Arbeitnehmer“, klagt der Vorsitzende des Vereins Hamburger Spediteure, Johan Schryver.