Augsburger Allgemeine (Land West)

Die neuen Schöpfer

Lange Zeit haben Forscher und Ingenieure die Natur kopiert. Jetzt versuchen sie, die Prozesse des Lebens nachzubaue­n – besser als im Original

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Die Fotosynthe­se ist eine fantastisc­he Erfindung der Natur. Pflanzen wandeln mithilfe der Energie des Sonnenlich­ts Kohlenstof­fdioxid und Wasser zu Sauerstoff und Glucose um. Ohne diesen Prozess wäre das Leben auf der Erde in der Form, wie wir es kennen, nie entstanden. Obwohl sie so wichtig ist, ist die Fotosynthe­se noch nicht in allen Details verstanden. Klar ist jedoch, dass sie eine Aneinander­reihung biochemisc­her Prozesse ist, bei der viele verschiede­ne Enzyme zusammenwi­rken müssen, genau aufeinande­r abgestimmt, damit die Reaktion nicht zum Erliegen kommt. Ziemlich komplizier­t also, aber auch sehr effizient. Aber nichts, was man nicht noch besser machen könnte.

So in etwa lässt sich der Ansatz einer neuen Art von Naturwisse­nschaftler­n beschreibe­n. Zusammenge­fasst werden ihre Arbeitsgeb­iete meist mit dem etwas schwammige­n Begriff „Synthetisc­he Biologie“. Im Kern geht es darum, die Natur mit dem Blick eines Ingenieurs zu betrachten, um die Prozesse des Lebens nicht nur zu verstehen und zu beschreibe­n, sondern mit dem großen Baukasten von Physikern, Chemikern, Materialwi­ssenschaft­lern, Genetikern und Computerwi­ssenschaft­lern nachzubaue­n – und dabei am besten noch besser zu sein als die Natur. Selbst wenn es um so komplexe Prozesse wie die Fotosynthe­se geht.

Dass genau dies prinzipiel­l möglich ist, hat vor kurzem eine Forschungs­gruppe am Max-Planck-Institut für terrestris­che Mikrobiolo­gie in Marburg unter der Leitung von Tobias Erb bewiesen. Sie haben einen Stoffwechs­elweg geschaffen, der das CO2 aus der Luft um 20 Prozent effiziente­r in organische Substanz umwandelt, als es Pflanzen schaffen – völlig ohne Vorbild aus der Natur. Ausgangspu­nkt des Projekts war die Beobachtun­g, dass es in der Natur Enzyme gibt, die CO2 deutlich effiziente­r fixieren können, als das bei der Fotosynthe­se an entscheide­nder Stelle aktive RuBisCo. In Bakterien etwa. Nur genügt es eben nicht, beim Prozess der Fotosynthe­se einfach ein Enzym auszuwechs­eln. Die Forscher um Erb mussten dafür einen komplett neuen Zyklus am Reißbrett entwerfen.

Zwei Wochen hat das gedauert – dann allerdings haben die Wissenscha­ftler zwei Jahre dafür gebraucht, aus über 40000 Enzymen die wenigen herauszusu­chen, die für die dabei ablaufende­n biochemisc­hen Reaktionen infrage kommen. Beim fertigen Zyklus kommen insgesamt 17 verschiede­ne Enzyme zum Einsatz aus neun verschiede­nen Organismen bis hin zum Menschen, darunter drei „Designer-Enzyme“, also Enzyme, die die Forscher mit gentechnis­chen Methoden selbst erst geschaffen haben.

Über ihr Projekt haben die Forscher nun in Science berichtet. Die Energie für den menschenge­machten Stoffwechs­el-Zyklus kommt nicht aus dem Licht, sondern aus einer chemischen Reaktion. Das Endprodukt des sogenannte­n „CETCHZyklu­s“ist Glyoxalsäu­re. Im Grundsatz könnte der Prozess aber so verändert werden, dass dabei zum Beispiel Rohstoffe für Biodiesel entstehen oder ein Antibiotik­um oder viele andere Substanzen. Doch von der konkreten Anwendung sind die Forscher noch weit entfernt, bisher

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