Augsburger Allgemeine (Land West)
Franzosen grenzen sich ab
Absturz Sarkozys. Er werde sich künftig mehr seinen „privaten Leidenschaften“hingeben, sagt er.
Damit markiert der Wahltag wohl das Ende der langen PolitikerKarriere eines Mannes, der mehr Energie und rhetorisches Talent mitbrachte als seine Rivalen. Der aber auch stärker polarisierte, provozierte und mit seiner Kampagne, die mit Themen wie Einwanderung und Identität auf die Anhänger der extremen Rechten zielte, viele abstieß. Zwar präsentierte sich Sarkozy als Vertreter des einfachen Volkes gegen „diese wohlmeinende Elite“, blieb aber als „Präsident BlingBling“mit einer unverhohlenen Faszination für die Reichen und Schönen in Erinnerung.
Die Kandidatenkür wird zur Anti-Sarkozy-Wahl: Das von ihm beschworene Volk hat sich gegen ihn entschieden, dem mehrere Skandale anhängen, sogar Prozesse drohen. „Wer hätte sich vorstellen können, dass gegen General de Gaulle ein Ermittlungsverfahren läuft?“, lästerte Fillon über Sarkozy. Beiden gilt der große Staatsmann und Gründer der Fünften Republik als Vorbild. Fünf
Das Vorwahl-Ergebnis bei Frankreichs Konservativen markiert die Rückkehr einer klassischen Bürgerlich-Rechten, die sich zu katholisch-konservativen Werten bekennt, aber klar von der extremen Rechten absetzt. Dass François Fillon als Favorit in die Stichwahl geht, erstaunt in einem Land, wo „liberal“als Schimpfwort gilt, denn im Programm dieses Fans von Margaret Thatcher finden sich harte Reformvorschläge.
Doch als Hauptargument der Wähler für einen Kandidaten erscheint dessen Auftreten als autoritäre Führungsperson. Den erfahrenen, aber allzu trockenen Alain Juppé überholte Fillon nicht zuletzt dank seiner Dynamik.
Bereits jetzt zeigt die Kandidatenkür, dass die Mehrheit keinen Populisten à la Donald Trump will. Nicolas Sarkozys Kalkül war stets, wie Trump innerhalb einer bürgerlichen Volkspartei extreme Positionen zu vertreten und damit den Front National (FN) abzudrängen. Er machte ausländer- und muslimfeindliche Sprüche salonfähig, verlor aber die bürgerliche Mitte. Diese holt sich nun die Zügel der Partei zurück. Das Votum signalisiert die heftige Ablehnung des Kandidaten Sarkozy. Dessen Abtritt ist eine gute Nachricht für Frankreich.
Für den Front National trifft das weniger zu. Marine Le Pen muss, um enttäuschten Sarkozy-Anhängern eine Zuflucht zu bieten, aus ihrer Reserve kommen, was ihr moderates Image ankratzt. Zugleich droht ihr in der Person Fillons ein Gegner, der ihre Sympathie für Putin teilt und die wertkonservativ geprägte Provinz anspricht. Doch nicht nur sein Alter, sondern auch sein steifes Auftreten stehen ihm im Weg.
„Fillon ist es gelungen, eine ideale Synthese aus Juppé und Sarkozy zu verkörpern“, erklärt der Meinungsforscher Jérôme Fourquet: Er habe das seriöse Auftreten des einen und die programmatische Radikalität des anderen. Dazu gehöre eine gewisse Härte gegenüber dem Islam – ohne sie in populistische Worte zu packen wie Sarkozy. Fourquet: „Das entspricht dem, was die konservativen Wähler wollen.“
Während Juppé sich erkennbar enttäuscht, aber weiterhin kämpferisch gibt, übernimmt Fillon die Rolle des Versöhners, der die Partei einen will: „Die Niederlage darf niemanden erniedrigen, weil wir alle brauchen“, sagt er. Selbst Sarkozy würdigt er. Das nicht ohne Grund: Der Ex-Präsident, der ihn einst als „armen Typen“und „Verlierer“verspottet hat, verspricht nicht Juppé, sondern Fillon seine Unterstützung. Das ist eine weitere Überraschung des langen Wahlabends. Fillon ist jetzt der Favorit für die Stichwahl am kommenden Sonntag.