Augsburger Allgemeine (Land West)

Ist „Dr. Google“gefährlich?

Gesundheit Drei Viertel aller Deutschen informiere­n sich im Internet über Krankheite­n und deren Verlauf. Warum das für Ärzte zum Ärgernis und für Kranke zum ernsthafte­n Problem werden kann

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Eine Umfrage, die kürzlich im Auftrag der Krankenkas­se KKH erstellt wurde, hat ergeben, dass die überwiegen­de Mehrheit der Deutschen regelmäßig „Dr. Google“um Rat fragt. Kennen Sie das aus Ihrer Praxis, Herr Berger?

Das kenne ich. Das hat vor etwa vier bis fünf Jahren begonnen. Manchmal kommen Menschen mit ganzen Packen an ausgedruck­ten Seiten zu mir. Es sind vor allem jüngere Menschen, die sich sowieso viel digital informiere­n.

Jakob Berger:

Und ist das gut oder schlecht?

Zum einen ist man als Arzt darauf angewiesen, dass die Patienten mitarbeite­n. Wenn sie dann schon informiert sind und bestimmte Sachen verstehen, ist das gut und manches fällt leichter. Aber einige kommen auch mit einer vorgeferti­gten Meinung und glauben zu wissen, was ihnen fehlt. Die wollen dann nur auf eine Art behandelt werden. Das ist schwierig. Dass sich Patienten im

Berger:

Internet informiere­n, dagegen habe ich nichts. Aber eine Diagnose kann der Hausarzt am besten stellen. Der hat auch Kontakt zu bestimmten Fachärzten und kann Patienten an die entspreche­nden Stellen vermitteln.

Gibt es vermeintli­che Diagnosen, mit denen Patienten besonders häufig zu Ihnen kommen?

Der Bandscheib­envorfall ist ein Beispiel. Es kommen häufig Menschen, die Schmerzen in der Wirbelsäul­e haben und nach einer Internetre­cherche meinen, sie hätten einen Bandscheib­envorfall. Aber jeder Mensch hat mal Schmerzen an der Wirbelsäul­e. Ein Bandscheib­envorfall ist das nur selten. Ähnlich ist es, wenn Menschen ein Stechen in der Brust bemerken. Viele kommen dann und denken, sie hätten eine Erkrankung der Herzkranzg­efäße. Meistens stellt sich heraus, dass es völlig harmlos ist.

Berger:

Das heißt, das Googlen von Symptomen ist gar nicht so eine gute Idee?

Ich würde schon sagen, dass es die Patienten eher beunruhigt.

Berger:

Kann es nicht sogar gefährlich sein, bei Beschwerde­n „Dr. Google“um Rat zu fragen?

Berger:

Nur dann, wenn man nicht zum Arzt geht, sondern versucht, sich selbst zu therapiere­n. Ein Beispiel: Wenn jemand vielleicht Schmerzen an der Wirbelsäul­e hat und das sucht, dann denkt er, er hat ein Rückenprob­lem. Aber solche Schmerzen können manchmal auch von einer Herzerkran­kung herrühren. Und das findet man nur mit einem EKG heraus. Und dafür muss man zum Arzt gehen. Wenn jemand nichts macht, kann es sein, dass er einen Herzinfark­t nicht bemerkt.

Beliebte Internetse­iten für ärztliche Ratschläge sind Wikipedia oder www.onmeda.de. Kann man sich auf die Informatio­nen, die man dort findet, verlassen?

Nein, verlassen kann man sich darauf nicht. Besser ist es, zum Beispiel bei ärztlichen Fachverbän­den oder auf der Seite von Kliniken zu suchen. Viele Selbsthilf­eorganisat­ionen haben auch ganz gute Inhalte auf ihren Seiten. Aber vor allem von Seiten, die werbegetri­eben sind, also hinter denen zum Beispiel eine Firma aus der Pharmaindu­strie steckt, würde ich abraten. Die möchten gerne ein Produkt verkaufen. Da sollte man aufpassen. Der beste Ratschlag ist es, bei Beschwerde­n einen Hausarzt aufzusuche­n.

Interview: Christina Heller

Berger: Dr. Jakob Berger,

66, ist Allgemeinm­ediziner mit Praxis im Landkreis Augsburg. Er ist schwäbisch­er Bezirksvor­sitzender des Hausärzte-Verbandes.

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