Augsburger Allgemeine (Land West)
Osteuropäer lassen Merkel auflaufen
Migration Die Kanzlerin wirbt in Warschau und Prag vergeblich für die Flüchtlingsquoten. Jetzt setzt sie neue Prioritäten: Die EU muss sich mehr um technologische Innovation kümmern
Warschau Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf ihrer Reise nach Osteuropa die dortigen Regierungen nicht davon überzeugen können, einer Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten zuzustimmen. Vor allem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán blieb auf Konfrontationskurs zur Bundeskanzlerin. Zur Abwehr von Flüchtlingen kündigte Orbán am Freitag vor Beratungen der Visegrad-Gruppe (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) in Warschau die Verstärkung der ungarischen Anlagen an der Grenze zu Serbien an.
Zur Verstärkung des bisherigen, mit Stacheldraht bewehrten Zauns solle entlang der 175 Kilometer langen Grenze zu Serbien ein „robusteres Verteidigungssystem“gebaut werden, sagte Orbán. „Die Grenze kann nicht mit Blumen und Kuscheltieren verteidigt werden, sondern mit Polizisten, Soldaten und Waffen“, sagte der rechtskonservative Regierungschef. Mit der neuen Grenzanlage solle es möglich sein, Flüchtlinge abzuwehren, falls die Türkei ihre Kooperation mit der Europäischen Union in Flüchtlingsfragen aufkündige. Im vergangenen Jahr hatten mehr als 400 000 Flüchtlinge Ungarn auf ihrem Weg vor allem nach Deutschland durchquert. Daraufhin ließ Orbán Grenzzäune bauen. In diesem Jahr reisten erst knapp 18 000 Flüchtlinge nach Ungarn ein.
Merkel sagte in Warschau, nach dem Beschluss zum EU-Austritt Großbritanniens müssten sich die 27 verbleibenden EU-Staaten „auf das Gemeinsame konzentrieren“. Über die Verteilung von Flüchtlingen in der EU gebe es voneinander abweichende Ansichten, hatte Merkel bereits am Donnerstagabend bei einem Besuch in Prag angemerkt. In anderen Bereichen gebe es überein st im„hunderttausende“ mende Ansichten. Angesichts der Vorbereitungen für den Austritt Großbritanniens konzentrierte sie sich bei ihren Äußerungen am Freitag in Warschau auf Aspekte der künftigen Zusammenarbeit. Der EU-Austritt Großbritanniens sei „nicht irgendein Ereignis, sondern ein tiefer Einschnitt in der Integrationsgeschichte der EU“. Dafür müsse eine „sorgfältige Antwort“vorbereitet werden.
Merkel kündigte an, sie werde sich verstärkt um technologische Innovation in Europa bemühen. „Unsere Vorgänger haben im Jahr 2000 gesagt, Europa soll der dynamischste Kontinent der Welt sein“, sagte die Kanzlerin. Das sei der europäische Kontinent aber „gerade im Bereich der Digitalisierung heute nicht“. Der digitale Binnenmarkt müsse ausgebaut werden, in Europa müssten verstärkt Arbeitsplätze entstehen, „die gut bezahlt werden“und nicht „letztendlich eine verlängerte Werkbank“anderer Kontinente »Kommentar seien.