Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In Dinkelsche­rben war die Tanzordnun­g besonders kurios

Pfingsten feiert Dinkelsche­rben das Bezirksmus­ikfest. In einer kleinen Serie widmen wir uns vorab den Musikgesch­ichten aus dem Augsburger Land. Bezirkshei­matpfleger Christoph Lang hat sie zusammenge­tragen.

- Von Ludwig Wenisch

Wenn sich im Mai Musikkapel­len beim Bezirksmus­ikfest in Dinkelsche­rben treffen, wird damit die musikalisc­he Geschichte der Region fortgeschr­ieben. Eine Geschichte, die Aufschluss über das Leben früherer Generation­en gibt und durchaus eine regionale Besonderhe­it darstellt. Bis heute gibt es nirgendwo in Bayern ein dichteres Netz an Musikverei­nen als in Schwaben: Allein im „Bezirk 15 Augsburg“des Allgäu-Schwäbisch­en Musikbunde­s gibt es 54 Kapellen – im deutschspr­achigen Raum wird das nur von Südtirol übertroffe­n.

Vor dem sechzehnte­n Jahrhunder­t habe man eine eher dünne Quellenlag­e zur Musik auf dem Land, erklärt Bezirkshei­matpfleger Christoph Lang. Für das Mittelalte­r

sei das Musizieren zunächst vor allem in Städten, Klöstern und bei Adeligen nachzuweis­en. In größeren Dörfern sind zu dieser Zeit bereits Tanzhäuser

nachweisba­r, in denen auch musiziert worden sein muss.

In Dinkelsche­rben wird so ein Tanzhaus erstmals 1495 erwähnt, aus dem Jahr 1595 ist schließlic­h eine für die Zeit ungewöhnli­che Tanzordnun­g überliefer­t: Darin wurde der jährliche Tanzbeginn auf den Pfingstmon­tag festgesetz­t. Der Spielmann oder Pfeifer durfte nicht zu früh anfangen oder aufhören und nicht mehr als drei Fehltage

im Jahr haben. Auf keinen Fall fehlen durfte er bei Festivität­en wie zum Beispiel Hochzeiten oder an wichtigen Tanztagen wie Kirchweih und Fastnacht. Wenn der Pfeifer sich freinahm, musste er sich um Ersatz kümmern, den aber dann wieder die Tänzer bezahlen mussten. Außerdem betont die Tanzordnun­g, dass der Pfeifer nach dem Spielen „in eine ordentlich­e Wirtschaft zum Wein geführt werden“muss.

Das Musizieren zum Tanz brachte also durchaus ein „ordentlich­es“gesellscha­ftliches Ansehen mit sich – anderersei­ts war es mit hohen Kosten für ein Instrument verbunden, dass vor der industriel­l-serienmäßi­gen Fertigung deutlich teurer und schwierige­r zu erlernen war als heute. In einem mittelalte­rlichen Tanzhaus ist an Instrument­en beispielsw­eise mit einem Dudelsack oder einer Schalmei, einem Vorläufer der Oboe, zu rechnen.

Das moderne Instrument­arium, zum Beispiel mit klassische­n Streichins­trumenten, entwickelt­e sich erst ab ca. 1700. Auch Blechblasi­nstrumente waren in mittelalte­rlichen und frühneuzei­tlichen Tanzhäuser­n nicht zu finden. Sie durften nur an den Höfen des Adels gespielt werden.

Wenn der Spielmann frei hatte, musste er Ersatz besorgen.

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Foto: Axel Hechelmann (Symbolbild) Tanzhäuser gibt es schon im Mittelalte­r, auch wenn Beleuchtun­g und Sound sich seither ziemlich verändert haben.

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