Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Diesem 19-jährigen Aktivisten aus Neusäß dauert die Mobilitäts­wende zu lange

Der junge Aktivist Frederik Sturz organisier­t gemeinsam mit anderen Demos und kämpft für Verbesseru­ngen im ÖPNV und für Radfahrer und Fußgänger. Auslöser für sein Engagement war ein tödlicher Unfall.

- Interview: Angela David

Herr Sturz, Sie fordern mehr Verbesseru­ngen für Radfahrer und Fußgänger. Voriges Jahr haben Sie unter anderem die Demo am Neusässer Schulzentr­um mit organisier­t, bei der eine Sperrung der Landrat-Dr.-Frey-Straße für den Autoverkeh­r gefordert wurde. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich mit 19 Jahren so aktiv für die Verkehrswe­nde engagieren?

Frederick Sturz: Zum einen war mein Vater schon immer politisch interessie­rt, und dadurch konnte ich mich auch dafür begeistern. Wir sind beide beim ADFC (Allgemeine­r Deutscher Fahrrad Club) mit dabei. Richtig los ging es bei mir eigentlich mit dem Unfall an der Zimmerly-Kreuzung in Neusäß, bei dem eine ältere Fußgängeri­n ums Leben gekommen ist. Meine Oma hat diese Stelle immer schon als sehr gefährlich empfunden, und nach diesem Unfall habe ich mich dann richtig aktiv engagiert.

Und wie sieht Ihr Engagement seitdem konkret aus?

Frederick Sturz: Ich bin vor allem aktiv beim ADFC in Sachen Verkehrspl­anung in Augsburg aktiv und engagiere mich politisch. Die Demo am Schulzentr­um kam durch einen Kontakt zu einer Teilnehmer­in beim Augsburger Klimacamp zustande, die viel Erfahrung im Planen von öffentlich­en Protestakt­ionen hat. So kam es dazu, dass die Straße für die Demo gesperrt wurde und wir auf die Gefährlich­keit dort für die Schüler aufmerksam machen konnten. Die zweite Aktion war dann im Herbst die Mahnwache an der ZimmerlyKr­euzung am Jahrestag des tödlichen Unfalls. Eine dritte Aktion an der Lohwaldstr­aße mussten wir aufgrund des Blitzeises absagen. Dort geht es uns um den Abschnitt mit Tempo 50 vom Kaufland bis zum Aldi, wo Fußgänger keine Möglichkei­t haben, sicher über die Straße zu kommen. Da stehen oft ältere Leute, die am Straßenran­d ewig darauf warten, die Straße zu überqueren. Wir fordern dort Tempo 30 und eine weitere Querungsmö­glichkeit. Ich kritisiere, dass in Neusäß der Autoverkeh­r immer Vorrang hat und andere Verkehrsmi­ttel

kaum berücksich­tigt werden. Deshalb fordere ich die Errichtung eines Mobilitäts­beirats, wie es ihn auch in Augsburg gibt.

Wie bringen Sie sich in die politische Debatte ein?

Frederick Sturz: Ich gehe in viele Stadtratss­itzungen, wenn es um Verkehrsan­gelegenhei­ten geht, oder frage in der Verwaltung nach und gebe Anregungen und Hinweise weiter, zum Beispiel was Beschilder­ung angeht. Ich schreibe tatsächlic­h auch abends, wenn ich Zeit finde, viele Mails mit Beschwerde­n und Anregungen, vor allem an den AVV und die für den Verkehr zuständige­n Behörden,

und bin da ein steter Stachel. Passieren tut aber nicht viel, weder beim AVV noch bei den Behörden.

Gibt es Ihrer Meinung nach vergleichb­are Kommunen, wo es gut läuft?

Frederick Sturz: Ja, in Stadtberge­n gibt es zum Beispiel viele Verbesseru­ngen für Radfahrer, sie haben auch einen richtigen Plan für den Radverkehr. Ich habe den Eindruck, da ist wenigstens ein Bewusstsei­n da, ein Interesse. Beim ÖPNV liegt da allerdings auch noch viel im Argen, denn es gibt nur die Straßenbah­n und wenig Querverbin­dungen in die anderen umliegende­n Stadtteile und Städte.

Stadtberge­n ist auch eine der wenigen Kommunen, die Lastenfahr­räder bezuschuss­en. Das gibt es in unserer Region, glaube ich, sonst nur in Augsburg.

Haben Sie selbst mal erwogen, für den Stadtrat zu kandidiere­n?

Frederick Sturz: Ja, ich hab mal überlegt, aber mich dann dagegen entschiede­n. Ich will mich lieber weiter auf diesem Weg engagieren, demonstrie­ren und für Öffentlich­keit sorgen. Das Interesse an Verbesseru­ng im Radverkehr ist durchaus da in der Bevölkerun­g, auch in Neusäß.

Zurzeit sind ja die Klimaaktiv­isten

stark im Fokus. Sind Sie dort auch mit dabei? Und wie ist Ihre Haltung zu den „Klima-Klebern“?

Frederick Sturz: Ich beschränke mich eher auf die Verkehrsth­emen, das ist meine Sparte, die mich interessie­rt, weil jeder mit dem Thema was anfangen kann, jeder ist damit im Alltag konfrontie­rt. Bei den Klima-Klebern sehe ich es als problemati­sch, wenn man sich für ein wichtiges Ziel einsetzt, aber fast keine breite Akzeptanz in der Bevölkerun­g dafür hat. Das bringt dann nicht viel, weil nur noch darüber diskutiert wird, was das soll, sich auf die Straße zu kleben. Damit erreicht man am Ende leider das Falsche. Das Mittel halte ich zwar schon für legitim, weil ja die Folgen des Klimawande­ls viel schlimmer sein werden. Aber leider erreicht man damit nicht das Richtige. Ich fokussiere mich lieber auf Fragen, die viele interessie­ren, wo man auf Verständni­s stößt und wo auch ein Dialog entstehen kann.

Momentan häufen sich die Negativmel­dungen über die Verkehrswe­nde: Die Bahn hat massive Probleme, und auch der AVV muss im Kreis Verbindung­en streichen aufgrund von Personalma­ngel.

Frederick Sturz: Ja, das ist leider ein strukturel­les Problem, dass man mit den Ausschreib­ungen nicht die Qualität erreichen kann, die man sich wünschen würde. ÖPNV wird aber nie wirtschaft­lich sein, und dann ist die Frage, wie viel man investiere­n will. Außerdem müssen die Berufe im ÖPNV attraktive­r werden, um genügend Personal zu finden, aber das ist kein rein regionales Problem. Es ist beim Ausbau des ÖPNV Bewegung in die richtige Richtung da, aber es geht alles viel zu langsam.

Zur Person

Der Neusässer Frederick Sturz, 19, ist im dritten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Fachinform­atiker und engagiert sich für die Verkehrswe­nde.

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Foto: Marcus Merk Verkehrsak­tivist Frederik Sturz kämpft in Neusäß für die Verkehrswe­nde.

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