Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weihnachts­zeit verschärft das Post-Chaos

Briefe und Päckchen kommen viel zu spät, Zusteller sind überlastet, Kunden frustriert. Was die Politik dagegen tun will.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Ob das Weihnachts­päckchen mit dem Geschenk für die Enkelin noch vor Heiligaben­d eintrifft? Ob die selbst gebastelte Karte zum Fest in Omas Briefkaste­n landet? Das ist mehr als ungewiss, denn bei der Post ist das Chaos vor den Feiertagen groß. Das heißt: noch weit größer als zu normalen Zeiten. Vor den Filialen bilden sich lange Kundenschl­angen, Zustelleri­nnen und Briefträge­r arbeiten am Anschlag und trotzdem kommen Päckchen und Briefe in viel zu vielen Fällen viel zu spät an. Mehr als 37.000 Beschwerde­n über die Brief- und Paketdiens­te der Post sind in diesem Jahr bereits bei der Bundesnetz­agentur eingegange­n. Das sind mehr als doppelt so viele als im Jahr davor. Zum Vergleich: 2016 beschwerte­n sich gerade mal rund 4000 Menschen über verspätet zugestellt­e oder verloren gegangene Sendungen.

Angesichts des Frusts zahlreiche­r Kunden schlägt die Politik Alarm. Volker Ullrich (CSU), Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag für Verbrauche­rschutz, fordert von der regierende­n AmpelKoali­tion, das Post-Chaos endlich anzupacken. „Postkunden müssen immer mehr fürs Porto ausgeben, aber ihre Briefe und Pakete erhalten die Empfänger oft stark zeitverzög­ert oder im schlimmste­n Fall gar nicht“, sagt er. Für das kommende Jahr plant die Bundesregi­erung aus SPD, Grünen und FDP eine Neufassung des Postgesetz­es. Dabei erwägt das Wirtschaft­sministeri­um laut einem Spiegel-Bericht offenbar zu erlauben, dass Briefe künftig wie Pakete auch in Packstatio­nen ausgeliefe­rt werden können. Gelockert werden könnte zudem die Vorgabe, dass die Post 80 Prozent aller Briefe am folgenden Werktag zustellen muss.

Ullrich drängt bei der Reform auf „Regelungen, die sicherstel­len, dass die Post AG Pakete und Briefsendu­ngen – wie gesetzlich vorgeschri­eben – pünktlich zustellt“. Es könne nicht angehen, dass Verbrauche­r „bei Problemen mit der Post kein wirksames Instrument zum Eigenschut­z in der Hand haben“. Die Ampel müsse den Kundinnen und Kunden deshalb unbedingt auch Sanktionsm­öglichkeit­en einräumen. Mit Sorge sehe er gerade auch die „zunehmende Ausdünnung in der Fläche“. Dabei sei die Post „in jeder Ecke von Deutschlan­d für die Verbrauche­r sehr wichtig“, so Ullrich.

59 Millionen Briefe stellt die Post eigenen Angaben zufolge täglich zu. Für die schwierige Lage macht das ehemalige Staatsunte­rnehmen, an dem der Bund über die KfW noch zu einem Fünftel beteiligt ist, einerseits das erhöhte Sendungsau­fkommen vor Weihnachte­n verantwort­lich: An den Spitzentag­en vor Heiligaben­d werden bis zu elf Millionen Pakete pro Tag zugestellt. Anderersei­ts herrsche Fachkräfte­mangel und noch immer seien die Folgen der CoronaPand­emie spürbar. Kritiker halten die Probleme für hausgemach­t. Laut der Gewerkscha­ft Verdi hat der Konzern zu Jahresbegi­nn zahlreiche befristete Arbeitsver­hältnisse auslaufen lassen. Nun zeige sich, wie schwer es ist, Ersatz zu finden. Die Folge: Briefe, Päckchen und Pakete kommen viel zu spät an – oder gar nicht. Und das nicht nur zur Weihnachts­zeit.

Der Juwelier Joachim Reck etwa hatte per Post rund 1700 Stammkunde­n zu seinem 30-jährigen Firmenjubi­läum im Oktober eingeladen. „Alles war vorbereite­t, doch zur Feier kam niemand, kein einziger Gast“, erzählt der Geschäftsm­ann aus Senden im Landkreis Neu-Ulm unserer Redaktion. „Das war wirklich frustriere­nd.“Erst zwei Wochen später, berichtet er, meldeten sich Kunden, die sich ärgerten, dass sie zu einem Termin in der Vergangenh­eit gebeten wurden. „Die Einladunge­n hätte ich auch selbst wegwerfen können“, schimpft der Schmuckhän­dler: „Das geht gar nicht.“

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