Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Weihnachtszeit verschärft das Post-Chaos
Briefe und Päckchen kommen viel zu spät, Zusteller sind überlastet, Kunden frustriert. Was die Politik dagegen tun will.
Berlin Ob das Weihnachtspäckchen mit dem Geschenk für die Enkelin noch vor Heiligabend eintrifft? Ob die selbst gebastelte Karte zum Fest in Omas Briefkasten landet? Das ist mehr als ungewiss, denn bei der Post ist das Chaos vor den Feiertagen groß. Das heißt: noch weit größer als zu normalen Zeiten. Vor den Filialen bilden sich lange Kundenschlangen, Zustellerinnen und Briefträger arbeiten am Anschlag und trotzdem kommen Päckchen und Briefe in viel zu vielen Fällen viel zu spät an. Mehr als 37.000 Beschwerden über die Brief- und Paketdienste der Post sind in diesem Jahr bereits bei der Bundesnetzagentur eingegangen. Das sind mehr als doppelt so viele als im Jahr davor. Zum Vergleich: 2016 beschwerten sich gerade mal rund 4000 Menschen über verspätet zugestellte oder verloren gegangene Sendungen.
Angesichts des Frusts zahlreicher Kunden schlägt die Politik Alarm. Volker Ullrich (CSU), Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag für Verbraucherschutz, fordert von der regierenden AmpelKoalition, das Post-Chaos endlich anzupacken. „Postkunden müssen immer mehr fürs Porto ausgeben, aber ihre Briefe und Pakete erhalten die Empfänger oft stark zeitverzögert oder im schlimmsten Fall gar nicht“, sagt er. Für das kommende Jahr plant die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP eine Neufassung des Postgesetzes. Dabei erwägt das Wirtschaftsministerium laut einem Spiegel-Bericht offenbar zu erlauben, dass Briefe künftig wie Pakete auch in Packstationen ausgeliefert werden können. Gelockert werden könnte zudem die Vorgabe, dass die Post 80 Prozent aller Briefe am folgenden Werktag zustellen muss.
Ullrich drängt bei der Reform auf „Regelungen, die sicherstellen, dass die Post AG Pakete und Briefsendungen – wie gesetzlich vorgeschrieben – pünktlich zustellt“. Es könne nicht angehen, dass Verbraucher „bei Problemen mit der Post kein wirksames Instrument zum Eigenschutz in der Hand haben“. Die Ampel müsse den Kundinnen und Kunden deshalb unbedingt auch Sanktionsmöglichkeiten einräumen. Mit Sorge sehe er gerade auch die „zunehmende Ausdünnung in der Fläche“. Dabei sei die Post „in jeder Ecke von Deutschland für die Verbraucher sehr wichtig“, so Ullrich.
59 Millionen Briefe stellt die Post eigenen Angaben zufolge täglich zu. Für die schwierige Lage macht das ehemalige Staatsunternehmen, an dem der Bund über die KfW noch zu einem Fünftel beteiligt ist, einerseits das erhöhte Sendungsaufkommen vor Weihnachten verantwortlich: An den Spitzentagen vor Heiligabend werden bis zu elf Millionen Pakete pro Tag zugestellt. Andererseits herrsche Fachkräftemangel und noch immer seien die Folgen der CoronaPandemie spürbar. Kritiker halten die Probleme für hausgemacht. Laut der Gewerkschaft Verdi hat der Konzern zu Jahresbeginn zahlreiche befristete Arbeitsverhältnisse auslaufen lassen. Nun zeige sich, wie schwer es ist, Ersatz zu finden. Die Folge: Briefe, Päckchen und Pakete kommen viel zu spät an – oder gar nicht. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Der Juwelier Joachim Reck etwa hatte per Post rund 1700 Stammkunden zu seinem 30-jährigen Firmenjubiläum im Oktober eingeladen. „Alles war vorbereitet, doch zur Feier kam niemand, kein einziger Gast“, erzählt der Geschäftsmann aus Senden im Landkreis Neu-Ulm unserer Redaktion. „Das war wirklich frustrierend.“Erst zwei Wochen später, berichtet er, meldeten sich Kunden, die sich ärgerten, dass sie zu einem Termin in der Vergangenheit gebeten wurden. „Die Einladungen hätte ich auch selbst wegwerfen können“, schimpft der Schmuckhändler: „Das geht gar nicht.“