Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die schillernde Welt der Tasten
Danner, Kaller und Stojkovic´ : Drei Lehrbeauftragte des Augsburger Leopold-Mozart-Zentrums huldigen in drei besonderen CD-Programmen eindrucksvoll dem Klavier. Die Palette reicht von Liszt bis Ligeti.
Sie vermitteln in ihren Klavierklassen am Leopold-Mozart-Zentrum dem Nachwuchs Technik und musikalische Zusammenhänge, machen ihn mit den Epochen vertraut. Doch Carolin Danner, Jelena Stojkovic´ und Stephan Kaller gehen in drei CDs mit ihren sehr persönlich konzipierten Programmen solistisch-künstlerisch über den üblichen Lehr- und Konzertkanon hinaus. Sie stellen überraschende und spannungsvolle Begegnungen her. Und sie senden hörenswerte Signale aus der Musikstadt Augsburg.
Carolin Danner hat preisgekrönte Programme für ihr Instrument entwickelt. Jetzt setzt sie in „En Suspens – in der Schwebe“eine besondere Gefühlslage um, reagiert auf aktuelle politisch-kulturelle Schwebezustände. Entstanden
ist aber kein trockenes Manifest, sondern ein subtiles KlangAbenteuer, bei dem sie zwischen Epochen hin und her zoomt, das Vertraute mit der Vision des Neuen verbindet.
Zwei Chopin-Nocturnes führen mit ihrem slawischen, schwebenden Flair zur Suite op. 14 von Béla Bartók. Darin sind die Akzente einfacher, härter gesetzt, berühren die Moderne – dort wartet György Ligetis Etüde „En Suspens“mit ihren flirrenden Spiegelungen. Man wird zurückgeholt zu gemütvollen Brahms-Intermezzi, die tatsächlich neu beleuchtet erscheinen und die wiederum den „Sonnenstrahl“der Rumänin Violeta Dinescu zur Folge haben, eine Ligeti ähnliche kristalline Vision. Wolfgang Amadeus Mozarts Fantasie c-Moll, an Beethoven schon anklingend, zeigt Brüche, Abgründe. Der Reigen schließt mit Debussy – Impressionismus und Jazz-Anmutung. Carolin
Danners Spiel ist virtuos und von organisch modellierter Klarheit.
„Rosen des Ostens“bringt Jelena Stojkovic´ zur Entfaltung. Die frühere Evgenia-Rubinova-Schülerin gestaltet eine Reise „zwischen Orient und Okzident“. Aufgewachsen im multi-ethnischen Prizren (heute Kosovo) studierte sie an den Hochschulen Belgrad, später in München. Ihre Wurzeln liegen im Balkan, in Serbien, Griechenland, der Türkei. Die russische Romantik liegt ihr am Herzen, sie breitet eine eigene Paraphrase von Nicolai Rimsky-Korsakows „Scheherazade“aus und lässt Sergei Rachmaninow folgen.
Die Heimat hat ihr Marko Tajcˇevic´ (1900 – 1984) mit „Sieben Balkantänzen“in Finger und Seele geschrieben, diese Musik lässt den typischen südosteuropäischen Sound der rasend verzahnten Halbtöne erklingen. Die andere Stojkovic´ ist passionierte Avantgardistin, zeigt das in den tagebuchähnlichen „Gedanken“von Minas Borboudakis (*1974) mit ihren ekstatischen Tempoläufen.
Zwei anrührende Lieder für das Klavier hat Dorothea Hofmann (*1961) für sie geschrieben. Den Schlusspunkt setzt „Black Earth“des genialen türkischen Grenzgängers Fazil Say. Ihr Musikabenteuer untermauert Jelena Stojkovic´ mit sehr hohen Ansprüchen genügender Klavierkunst. Sie ist beim „Opus Klassik“nominiert für die „Solistische Einspielung des Jahres“sowie „Instrumentalistin des Jahres“.
Einem Komponisten wiederum hat sich Stephan Kaller verschrieben: Franz Liszt, mit späten und geistlichen Werken. Er unterzieht diese gezielte und den Klaviertitanen charakterisierende Auswahl einem präzisen analytischen Zugriff. Fast impressionistische Spiele sind die Legenden 1 und 2: die Trillerketten des „Hl. Franz von Assisi zu den Vögeln predigend“, die dunklere Aura von „Der Hl. Franziskus von Paolo auf den Wogen
schreitend“mit seiner ekstatisch gesteigerten Wucht und Choral-Frömmigkeit. Feine Traumgespinste, in der Gestik von Robert Schumann, Frédéric Chopin bis zum schon fast atonal schneidenden Zugriff, sind „Nocturne en rêve; Andante Lagrimoso; Fünf kleine Stücke; Nuages gris“. Im Mittelpunkt stehen die Trauermusiken, in denen der fromme Abbé der späten Jahre weihevolles Charisma mit virtuosem Pomp verbindet.
Faszinierende Farbigkeit, genial verzahnte harmonisch-motorische Gestik und hart attackierendes Ostinato-Hämmern prägen die Grabes-Musik von „Funérailles“wie auch „Trauervorspiel / Trauermarsch“. Stephan Kaller modelliert all diese abenteuerlichen Klangfahrten pianistisch brillant mit Transparenz und dramaturgisch überzeugend dosiertem Spiel der Kräfte.