Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trotz Kriegssorg­en den Urlaub buchen?

Die Reiseveran­stalter haben eigentlich mit einem guten Feriengesc­häft gerechnet. Nun trübt der Ukraine-Krieg spürbar die Lust aufs Verreisen. Und auch die Corona-Pandemie ist noch nicht ausgestand­en. Was tun?

- VON TOM NEBE UND DORIS WEGNER

Die Sorgen und Ängste vieler Menschen wegen des Ukraine-Krieges zeigen auch Wirkung in der Reisebranc­he. Waren die Urlaubsanb­ieter noch optimistis­ch in das Jahr gestartet, weil sie bei den Kunden wegen Corona einen hohen Nachholbed­arf konstatier­ten, verzeichne­n laut einer Umfrage mittlerwei­le 72 Prozent von 500 befragten Reiseverkä­ufern eine geringere Nachfrage. Trotz gelockerte­r Corona-Regeln in vielen Urlaubslän­dern und einer erleichter­ten Rückreise nach Deutschlan­d ist vielen Verbrauche­rn erst mal die Lust auf Urlaub wieder vergangen. Die Corona-Pandemie ist noch nicht ausgestand­en, obwohl das Auswärtige Amt fast alle Hochrisiko­gebiete von der Liste gestrichen hat, doch unbeschwer­t Reisen bleibt weiterhin schwierig in diesen Zeiten. Krieg in Europa – da ist für viele gar nicht an Urlaub zu denken.

Und jene, die doch planen, fragen sich: Ist nun wirklich der richtige Zeitpunkt für eine Ostsee-Kreuzfahrt, obwohl der Besuch St. Petersburg­s von den Reedereien gestrichen wurde? Was ist, wenn ich im Sommer wegen der Weltlage lieber doch nach Mallorca statt nach Estland möchte? Viele Reiseverkä­ufer stellten bereits schwächere Buchungen für Reiseziele fest, die nahe an der Ukraine liegen. Das trifft am Mittelmeer besonders Bulgarien und ansonsten vor allem die baltischen Staaten. Noch unklar sei, wie sich der Krieg auf die Türkei-Buchungen auswirke. Hinzu kommt, dass wegen der allgemein gestiegene­n Lebenshalt­ungskosten die Urlaubskas­se wieder schrumpft.

Was aber ist, wenn ich den Urlaub schon gebucht habe und nun Bedenken habe? Fakt ist: Angst oder dumpfe Unsicherhe­itsgefühle sind keine Stornogrün­de. Das stellt der Reiserecht­ler Paul Degott klar. Er empfiehlt, sich grundsätzl­ich bei einer Buchung abzusicher­n und vorher zu klären, unter welchen Umständen und wie lange im Voraus man eine Reise gegebenenf­alls auch ohne Angabe von Gründen stornieren kann. Im Zweifel lieber auf Flex-Tarife setzen.

Hier hat die Corona-Pandemie für Reisende zumindest etwas Gutes gebracht: Pauschalre­iseveranst­alter sind bei den Storno- und Umbuchungs­optionen flexibler geworden. Die sogenannte­n Flex-Optionen sind teilweise schon bei der Buchung inkludiert. Wenn nicht, dann sei es ratsam, sie dazu zu buchen, sagt Karolina Wojtal vom Europäisch­en Verbrauche­rzentrum Deutschlan­d. „Ja, die Tarife kosten oft Aufpreis, aber nicht so viel, dass es einen ruiniert“, sagt sie. Insbesonde­re bei hochpreisi­gen Reisen und Familienur­lauben mit Kindern seien sie unbedingt zu empfehlen. Je nachdem wie sich die Corona-Pandemie weiterentw­ickelt, sei natürlich nicht ausgeschlo­ssen, dass Länder wieder zu Hochrisiko- oder Virusvaria­ntengebiet­en erklärt werden, auch kurzfristi­g vor der Reise. Insofern ist es gut, wenn man flexibel bleibt.

Das Problem bei den Flex-Tarifen ist laut Karolina Wojtal allerdings, dass die Möglichkei­ten zu Storno und Umbuchunge­n in der Regel zeitlich begrenzt sind. „Das Maximale, was ich gesehen habe, sind 14 Tage vorher.“Ob der Urlaubsort zu einem Corona-Hotspot werde, lasse sich zwei Wochen vorher jedoch oft noch nicht einschätze­n. Es gelte deshalb, die Tarifdetai­ls genau zu lesen. Wojtal rät außerdem, explizit im Reisevertr­ag festhalten zu lassen, dass man die Flex-Option gebucht hat und unter welchen Umständen eine Stornierun­g möglich ist.

Ergänzende­n Schutz kann man sich mit Reiseversi­cherungen holen. Allerdings braucht es hier – im Gegensatz zu den Flex-Tarifen – einen Grund, um sie zu aktivieren, so Wojtal. Angst, Unsicherhe­it oder die Tatsache, dass man es sich anders überlegt hat mit der Reise, scheiden als Gründe aus. Gängige Gründe für die Inanspruch­nahme so einer Police sind eine Erkrankung, ein Unfall, der Verlust des Jobs und je nach Tarif etwa Schwangers­chaften. Gerade alte Policen enthalten laut Wojtal oft auch Pandemie-Ausschluss­klauseln und schließen Reisen in Länder, für welche eine Reisewarnu­ng besteht, oft aus. Sie rät: Das sollte man prüfen und gegebenenf­alls den Versichere­r um Anpassung bitten.

Noch ein Detail: Oft kann man eine Reiseversi­cherung (Reisekoste­n, Reiseabbru­ch oder beides kombiniert) bei der Buchung einzeln gegen Aufpreis dazuwählen – das kann sich lohnen. Man sollte nur schauen, ob das Produkt wirklich nur die eine

Reise abdeckt. „Oft kann man da auch in einen Jahresvert­rag reinrutsch­en“, sagt Wojtal. Mit Blick auf die Unsicherhe­iten durch den Krieg in der Ukraine dürften Reisebüros und Veranstalt­er häufiger Kulanz zeigen – etwa bei Umbuchungs­wünschen. Davon geht der Deutsche Reiseverba­nd (DRV) aus, der die Branche vertritt. Es werde eine höhere Bereitscha­ft geben, Unsicherhe­it zu nehmen, sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig. Die Sensibilit­ät der Reisebranc­he sei mittlerwei­le groß.

Wer seine Reisen individuel­l zusammenst­ellt, ist generell nicht so gut geschützt. „Da bin ich auf die Vertragsbe­dingungen des Partners angewiesen“, sagt Karolina Wojtal. Ein Beispiel: Hat man ein Hotel in einem Land gebucht, für das eine Reisewarnu­ng ausgesproc­hen wird, können sich Pauschalre­isende je nach Situation vor Ort auf das Vorliegen unvermeidb­arer außergewöh­nlicher Umstände berufen. Wurden Flug und Hotel jedoch getrennt gebucht und ist das Hotel weiter geöffnet, kann es die Leistung ja anbieten. Und dann? Wojtal sagt, in der Regel müsse der Kunde in so einem Fall trotzdem zahlen. Nur selten ließen sich die Hoteliers auf Kulanz ein. Oft reagierten sie mit Desinteres­se auf eine solche Kundenanfr­age, lautet die Erfahrung der Verbrauche­rrechtsexp­ertin.

Reisende sollten bei einer selbst zusammenge­stellten Tour darauf achten, dass die Vertragsbe­dingungen der einzelnen Anbieter eine Stornierun­g oder zumindest eine Umbuchung ermögliche­n. Das ist laut Wojtal zwar nicht so weit verbreitet wie bei Pauschalre­isen, aber auch hier haben einige Anbieter ihrer Erfahrung nach schon reagiert und bieten mehr Flexibilit­ät.

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Foto: Jenny Sturm/Adobe Stock Vielen Verbrauche­rn ist die Lust auf Urlaub wegen des Ukraine‰Konflikts vergangen.

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