Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Junges Team übernimmt Diedorfer Praxis
Dr. Roland Huss und Dr. Bernhard Baur gehen in den Ruhestand. Von einem Ärztemangel auf dem Land ist aber keine Spur
Diedorf Was tun, wenn einem als Arzt in einer Gemeinschaftspraxis die älteren Partner in den Ruhestand entschwinden? Das sind in der Gemeinschaftspraxis Diedorf ab Ende Juni Dr. Roland Huss und Dr. Bernhard Baur. Für Dr. Markus Ziesing, den verbleibenden Inhaber, ist die Antwort eine bislang nicht immer übliche: Man macht einfach die bislang angestellten Ärztinnen und einen angestellten Arzt zu Partnern – und hat dann so ein Leitungsteam aus insgesamt sechs Personen zusammen.
Alle haben in den vergangenen Jahren ihre Ausbildung in der Praxis absolviert und sind geblieben. „Da wäre ich doch wahnsinnig, wenn ich so gute, neue Kollegen gehen lassen würde“, beschreibt Ziesing eindeutig. „Gerade vor den aktuellen Themen Ärztemangel und Frauenquote ist das jetzt absolut indiziert.“
Mit im Team sind ab Juli Dr. Dorothea Diehl, Dr. Michaela Rose, Dr. Margit Rahlf und Dr. Kristin Dziewior. „Angefangen haben wir als Halbtagsmamas“, sagt Michaela Rose. Das war in der Praxis kein Hindernis, die Frauen nicht zu fördern. Jede von ihnen deckt neben der Allgemeinmedizin heute ein anderes Fachgebiet ab, von der Naturheilkunde über Innere Medizin, Chirurgie, Substitution, Kinderheilkunde und Geriatrie bis hin zur Chirotherapie beim bisherigen Partner Markus Ziesing und der Diabetologie beim weiteren und jüngsten Partner im Team, Dr. Alexander Stöckl. Die neuen Ärztinnen und Ärzte sind alle zwischen 33 und 51 Jahren alt. Für Stöckl ist die neue Aufgabe durchaus so etwas wie die Erfüllung eines Kindheitstraums. „Ich war schon als Kind hier Patient und war damals fasziniert, mit wie viel Freude sichtlich alle in der Praxis gearbeitet haben.“
Er ist übrigens, wie auch Markus Ziesing, ein echter Diedorfer und hat in der Marktgemeinde lange als Rettungssanitäter gearbeitet. „Im Vergleich zu einem Krankenhaus haben wir viel Zeit für unsere Patientinnen und Patienten.“Und man sei eine echte Familienpraxis. „Hier können Großeltern, Eltern und Kinder zum selben Team gehen“, beschreibt Michaela Rose.
Für Markus Ziesing ist klar: Der Landarzt als Alleinkämpfer mit einer Praxis, die er praktisch rund um die Uhr besetzt, „der stirbt vielleicht aus“. Bernhard Baur kennt solche Beispiele aus anderen Arztpraxen, in denen einfach kein Nachfolger oder keine Nachfolgerin gefunden wird und die Patientinnen und Patienten irgendwann ohne Versorgung dastehen. „Aber wenn eine Praxis ein positives Bild vermittelt, dann finden sich auch Nachfolger.“
Für Markus Ziesing ist das große
Team aus gleichberechtigten Partnerinnen und Partnern ein Gegenpart zum Modell der von einer Firma angestellten Ärztinnen und Ärzte. „Das bekommen wir auch selber hin“, ist er überzeugt. Er sieht die Gemeinschaftspraxis trotz ihrer Größe als die typische Landarztpraxis, die jedoch durchaus den Versorgungsstandard eines kleinen Krankenhauses bieten könne. Die Patienten kämen aus einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern, beschreibt Alt-Partner Bernhard Baur. Für spezielle Behandlungen, wie die HIV-Sprechstunde, die er an Margit Rahlf übergibt, sogar von noch weiter her.
Wenn mehrere Kolleginnen und Kollegen im Team seien, dann habe man immer jemanden, mit dem man sich austauschen könne, sagt Margit Rahlf. Teamarbeit hat in der Praxis Tradition, und der Grundstein ist bereits von Gründer Dr. Thomas Brückmann gelegt worden. Nach der Praxisgründung 1989 kam 1993 Roland Huss hinzu, drei Jahre später Bernhard Baur. Nach 25 Jahren in der Praxis blute ihm jetzt zwar schon irgendwie das Herz. Dennoch sei es eine Frage des richtigen Zeitpunkts und der richtigen Einstellung, wann man in Ruhestand gehe – und freilich eine persönliche Entscheidung, sagt der 61-Jährige. Ende Juni scheiden er und der ein paar Jahre ältere Roland Huss aus der Praxis aus.