Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neue Debatte um Impfung von Schwangeren
Eva Maria Krauß ist schwanger und Risikopatientin. Dennoch schickte das Impfzentrum sie weg. Dabei gibt es neue Daten, die nahelegen, dass durch die Vakzine keine Gefahr für Mutter und Baby bestehen
Augsburg Eva Maria Krauß ist eine Ausnahme – und das macht ihr gerade Probleme. Die 43-jährige Augsburgerin ist schwanger. In ein paar Wochen soll ihr viertes Kind auf der Welt sein. Doch statt sich nur darauf freuen zu können, ist Krauß in Sorge. Der Grund: die Corona-Pandemie. Wegen ihres Alters und einer Vorerkrankung der Lunge ist Krauß eine Risikopatientin. Ihr Frauenarzt hat ihr deshalb ausdrücklich empfohlen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Krauß hatte einen Termin beim Impfzentrum in Augsburg, war vor Ort und wurde nach Hause geschickt. Das Impfzentrum wollte das Risiko nicht tragen, eine Schwangere zu impfen. Jetzt ist Krauß sauer, fühlt sich im Stich gelassen und weiß nicht, was sie machen soll. „Ich war wirklich den Tränen nahe, als ich wieder heimgeschickt wurde“, sagt sie. „Es geht mir nicht darum, mich vorzudrängeln. Ich möchte durch die Impfung nur die Chance haben, einen milderen Krankheitsverlauf zu bekommen“, sagt sie.
Eigentlich können sich Schwangere in Deutschland nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Denn die Ständige Impfkommission (Stiko), die festlegt, wer sich wann impfen lassen kann und wer nicht, schreibt in ihrer aktuellen Empfehlung: „Zur Anwendung der Covid19-Impfstoffe in der Schwangerschaft liegen aktuell keine Daten vor. Die Stiko empfiehlt die generelle Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht.“Es gibt aber Ausnahmen – nämlich in Fällen wie dem von Eva Maria Krauß.
Gehören Schwangere etwa wegen Vorerkrankungen zu einer Risikogruppe, können sie sich nach einem Gespräch mit ihrem Arzt impfen lassen. Das sagt die Stiko und das empfehlen auch medizinische Fachgesellschaften, die sich mit den Themen Geburt und Schwangerschaft befassen. Geklappt hat es bei Eva Maria Krauß dennoch nicht.
Unabhängig davon, ob Schwangere einer Risikogruppe angehören oder nicht – hat das Thema Impfung in der Schwangerschaft wieder Fahrt aufgenommen. Nicht nur, weil in Bayern bereits Mitte Mai die Priorisierung der Impfgruppen fallen soll. Es gibt inzwischen auch Daten, die nahelegen, dass eine Impfung in der Schwangerschaft unbedenklich ist. Vergangene Woche teilte die britische Impfkommission (JCVI) mit, dass in Großbritannien Schwangere gleichzeitig mit dem Rest der Bevölkerung ein Impfangebot bekommen sollen – abhängig davon, welcher Risikogruppe sie zugeteilt sind. In der Stellungnahme des JCVI heißt es dazu: „Es sind keine spezifischen Sicherheitsrisiken bei der Impfung für Schwangere festgestellt worden.“Die Empfehlung basiert auf Daten aus den USA. Dort sind bereits über 90000 Schwangere überwiegend mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna geimpft worden. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC, deren Rolle mit der des Robert-Koch-Instituts vergleichbar ist, sieht ebenfalls keine Gefahr durch eine Impfung in der Schwangerschaft. Sie teilt mit, dass es keine Beweise gebe, dass die Antikörper, die bei einer Impfung entstehen, zu
Problemen in der Schwangerschaft führen. Auch sie empfiehlt Schwangeren, sich impfen zu lassen. Weist aber darauf hin, dass es sich bei den erhobenen Daten um reale Impfungen handelt und nicht um eine klinische Studie. Die britische Impfkommission sagt ebenfalls, dass sie ihre Entscheidung zwar basierend auf den US-Daten treffe, aber mehr Forschung nötig sei.
Gleichzeitig ist durch US-Daten bekannt, dass sich Schwangere zwar nicht häufiger mit dem Coronavirus infizieren als andere Personen – stecken sie sich aber an, haben sie ein höheres Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf.
In der Diskussion darüber, ob Schwangere in Deutschland geimpft werden sollen, gehen die Meinungen der Stiko und der medizinischen Fachgesellschaften auseinander. In einer Stellungnahme schrieben die Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, die Gesellschaft für perinatale Medizin und die Gesellschaft für Reproduktionsmedizin noch im Februar, dass sie sich gegen eine generelle Impfung für Schwangere aussprechen, weil die Datenlage zu unsicher ist. Nun heißt es: „Unter Berücksichtigung des aktuellen Wissenstands würden sich die Autoren der Stellungnahme auch für Deutschland eine Impfempfehlung für Schwangere wie beispielsweise in Israel, Großbritannien und Luxemburg durch die Stiko wünschen.“
Die Stiko hat ihre Impfempfehlung bisher nicht geändert. Ob sie es plant, ist auf Nachfrage beim RKI nicht zu erfahren. Eine Sprecherin teilt mit: „Neue Daten werden kontinuierlich ausgewertet, aber die öffentliche Diskussion einzelner Studien oder Entscheidungen einzelner Länder ist nicht möglich. Wenn die Stiko ihre bisherige Empfehlung anpassen sollte, würde das ausführlich begründet.“Um Schwangere vor dem Virus zu schützen, gilt in Deutschland die Regel, dass zwei enge Kontaktpersonen der Schwangeren bevorzugt geimpft werden. Für Stillende sind die Empfehlungen weniger streng. Zwar gibt es dazu, welche Auswirkungen eine Impfung in der Stillzeit hat, nur wenige Daten. In der offiziellen Empfehlung heißt es aber: „Die Stiko hält es für unwahrscheinlich, dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstellt.“
Der Augsburgerin Eva Maria Krauß helfen die offiziellen Empfehlungen wenig. Sie ist immer noch nicht geimpft und weiß nicht, an wen sie sich wenden soll. Auch ihre Hausärztin hat abgelehnt, sie zu impfen. „Sie hat nur wenige Dosen AstraZeneca. Und durch eine Schwangerschaft ist das Thrombose-Risiko sowieso schon erhöht“, sagt Krauß. Aber sie hofft noch. „Ich hatte schon einmal eine kollabierte Lunge, das will ich nicht noch einmal erleben.“
Kommission empfiehlt generelle Impfung nicht