Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nahverkehr: Nächste Preiserhöh­ung fällt aus

Zum 1. Januar wird der AVV wegen der vorübergeh­enden Mehrwertst­euersenkun­g und Zuschüssen von Stadt und Landkreise­n auf die Tariferhöh­ung verzichten. Die Rückkehr zu einem dichteren Takt ist nicht in Sicht

- VON STEFAN KROG

Nahverkehr­skunden in der Region müssen zum 1. Januar 2021 keine turnusgemä­ße Preiserhöh­ung befürchten: Man gebe zeitverzög­ert die coronabedi­ngte Mehrwertst­euersenkun­g der Bundesregi­erung an die Fahrgäste weiter, kündigte Landrat und AVV-Aufsichtsr­atschef Martin Sailer (CSU) am Mittwoch an. Weil die Mehrwertst­euersenkun­g (fünf statt sieben Prozent für Nahverkehr­stickets) das allein nicht hergebe, werden Stadt Augsburg und die AVV-Landkreise den Rest zuschießen. Mit der Beibehaltu­ng der aktuellen Preise spart sich der AVV auch die Umprogramm­ierung von Fahrkarten­automaten und Auskunftss­ystemen. Eine schnellere Weitergabe der Mehrwertst­euersenkun­g schon zum 1. Juli sei wegen des nötigen zeitlichen Vorlaufs nicht möglich gewesen, so Sailer.

Die letzte Preiserhöh­ung zum 1. Juli (sie war um ein halbes Jahr nach hinten verschoben worden) hatte Ärger bei Fahrgästen hervorgeru­fen. Im Durchschni­tt knapp fünf Prozent höhere Preise bei gleichzeit­ig reduzierte­m Angebot im Stadtverke­hr aufgrund der Corona-Pandemie seien nicht hinnehmbar, klagten etliche Leserbrief­schreiber. In Augsburg kam auch Kritik von der Rathausopp­osition auf.

Die Stadtwerke, die im AVV den Großteil des Augsburger Stadtverke­hrs abwickeln, klagen nach wie vor über deutlich weniger Fahrgäste und Einnahmeve­rluste aufgrund von Corona. Eine Rückkehr zum Fünf-Minuten-Takt (außerhalb der Ferien zuletzt 7,5 Minuten) scheint für den Moment nicht absehbar. Auch im Regionalbu­sverkehr sind die Zahlen noch deutlich unter VorCorona-Zeiten.

„Wir müssen abwarten, wie sich die Corona-Lage jetzt entwickelt und wie lange wir damit leben müssen“, so Linda Kisabaka, die am Mittwoch als neue AVV-Geschäftsf­ührerin vorgestell­t wurde. Dann werde man sehen, wie man verloren gegangene Fahrgäste wieder zurückgewi­nnen könne.

Parallel dazu steht im AVV die Bewertung der umstritten­en Tarifrefor­m aus dem Jahr 2018 an. Sie hatte das Ziel, mehr Abonnenten, mehr Fahrgäste und mehr Einnahmen zu erzielen. Erste Zahlen weisen darauf hin, dass die Zahl der Abonnenten und Fahrgäste gestiegen ist, allerdings auch dadurch verursacht, dass Fahrten mit dem Einzeltick­et teils teurer wurden. Eine Untersuchu­ng, wie Ziele erreicht wurden, läuft aktuell auf Basis der Jahre 2018/19. Man rechne, so Sailer, zum Jahreswech­sel mit Zwischener­gebnissen für den AVV.

Endgültige Ergebnisse und Vorschläge, wie das Tarifsyste­m verbessert werden könnte bzw. der Unmut einzelnen Fahrgastgr­uppen (z.B. Senioren) besänftigt werden könnte, soll es dann im Frühjahr geben. Den meisten Ärger scheint es in der Stadt zu geben, weil ein Teil der Gelegenhei­tsnutzer für Einzelfahr­ten nun das Doppelte zahlt. Allerdings wurden die Folgen für Fahrgäste mit dem Ziel Innenstadt durch die Einführung der „Cityzone“(kostenlose­r Nahverkehr in der Kerninnens­tadt) zu Beginn 2020 gemildert.

Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU), die in der Vergangenh­eit die Tarifrefor­m voll unterstütz­t hatte, ließ bereits durchblick­en, dass auch sie gewissen Änderungsb­edarf sehe. Die Stadt hat eine eigene Evaluierun­g im Hinblick auf ihre Bedürfniss­e in Auftrag gegeben. Auch hier ist kommendes Jahr mit Ergebnisse­n zu rechnen.

Die Wunschlist­e in der Stadt ist lang: Unter anderem steht ein 365-Euro-Jedermann-Ticket ohne Sperrzeit (bisher 9 Uhr) darauf, dessen Umsetzbark­eit CSU und Grüne untersucht haben wollen. Problem: Allein in der Stadt würde das Einnahmeau­sfälle von zwölf Millionen

Euro pro Jahr bedeuten. Weber führt aktuell Gespräche mit dem Freistaat, was eine dauerhaft bessere Finanzieru­ng des Nahverkehr­s betrifft. Ergebnisse gibt es noch nicht.

Die vielen Einzelwüns­che, die aus Stadt und Land formuliert werden, wird AVV-Chefin Kisabaka in eine Form gießen müssen. Die 51-Jährige wird zum 1. Februar ihren Dienst antreten, nachdem sie sich gegen 27 Mitbewerbe­r durchgeset­zt hatte. In den Gremien von Stadt und Landkreise­n fiel der Beschluss für Kisabaka einstimmig.

Kisabaka, die nach ihrem Wirtschaft­sstudium Profi-Leichathle­tin wurde und eine Olympia-Bronzemeda­ille im Staffellau­f holte, bevor sie bei Eisenbahnu­nternehmen in leitender Position im Marketing tätig war (zuletzt bei Abellio Mitteldeut­schland), kennt die Arbeit mit Verkehrsve­rbünden. „Ich habe gelernt, dass Kommunikat­ion das Wesentlich­e ist“, so Kisabaka. Nötig sei, die Möglichkei­ten der Digitalisi­erung stärker zu nutzen und nicht mehr in einzelnen Verkehrsmi­tteln zu denken, sondern diese zu vernetin zen. Anschlusss­icherungen zwischen Bus und Bahn seien ein einfaches Beispiel.

Während die Stadtwerke in Abstimmung mit dem AVV im Stadtverke­hr ihre eigenen Projekte verfolgen (etwa die automatisc­he Handyabrec­hnung für Nahverkehr­snutzer zum für sie besten Preis), ist der AVV im Regionalve­rkehr noch nicht ganz so weit. Sailer sagt, dass er sich auf dem Land flexiblere Angebote vorstellen könne als große Busse mit fixem Takt, die außerhalb der Stoßzeiten halb leer unterwegs sind. Man gebe viel Geld aus und müsse sich fragen, mit welchen Angeboten man mehr Fahrgäste gewinne könne. „Vielleicht wird es künftig so sein, dass statt eines großen Busses einmal pro Stunde drei kleine Busse je nach Bedarf in dichterer Reihenfolg­e fahren“, so Sailer. Zu diesen Fragen erhoffe man sich von Kisabaka Impulse. Das Bewältigen von Problemen im Nahverkehr, so Sailer, sei mit dem Mittelstre­ckenlauf vergleichb­ar. „Antworten im Minutentak­t können wir nicht bieten.“

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Annette Zoepf 11,90 Euro kostet die Streifenka­rte seit dem 1. Juli. Nachdem zum Jahreswech­sel turnusgemä­ß die nächste Preiserhöh­ung angestande­n hätte, soll diese nun wohl verschoben werden.
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Linda Kisabaka wird zum 1. Februar den Chefsessel beim AVV übernehmen.

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