Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lehrerin schlägt Angreifer in die Flucht

Eine Frau wird auf dem Heimweg von einem unbekannte­n Mann attackiert, der mit einem Holzknüppe­l auf sie einschlägt. Doch das Opfer wehrt sich. Im Prozess kann der Angeklagte sein Verhalten nicht erklären

- VON MICHAEL SIEGEL

Er hatte den Stock am Straßenran­d gefunden. Der 39-jährige Mann, der nun vor Gericht stand, hatte damit vor etwa einem Jahr eine 47-jährige Lehrerin in der nächtliche­n Berliner Allee überfallen und verletzt. Die Frau konnte ihn in die Flucht schlagen. Jetzt wurde der arbeitslos­e Maurer für die Tat vom Augsburger Amtsgerich­t zu einer Haftstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Die 47-Jährige berichtete als Zeugin, was ihr widerfahre­n war. Sie sei an dem Tag mit dem Zug vom Münchner Flughafen gekommen. Weil sie kurz vor Mitternach­t am Bahnhof Hochzoll kein Taxi gefunden habe und weil es ein schöner Sommeraben­d gewesen sei, habe sie beschlosse­n, zu Fuß mit ihrem Koffer nach Hause zu laufen. Während sie lief, habe sie mehrfach Nachrichte­n

auf dem Smartphone gelesen und beantworte­t und Telefonate geführt, so die Frau. Offenbar, ohne es zu bemerken, passierte sie dabei eine Bar in der Friedberge­r Straße, wo der Angeklagte bereits mehrere Gläser Bier getrunken hatte. Möglicherw­eise hinter der Lechbrücke an der Abzweigung der Berliner Allee von der Friedberge­r Straße habe sie den späteren Täter erstmals wahrgenomm­en, ohne ihn jedoch zu beachten, so die 47-Jährige. An der Einmündung der Eichendorf­fstraße sei der Mann plötzlich ohne ein Wort auf sie zugestürmt, in der Hand einen Holzknüppe­l. Damit, so die Frau, habe er ihr auf den Kopf, die Schulter den Arm geschlagen und erheblich verletzt.

Sie habe sich zur Wehr gesetzt, den Angreifer gepackt, beide stürzten und fielen eine kleine Böschung hinab. Im Bodenkampf sei es ihr gelungen, den Knüppel zu packen und den Mann damit einzuzwäng­en. Zunächst habe sie daran gedacht, dem Angreifer dasselbe anzutun wie er ihr und ihn mit dem Holzstock zu prügeln. „Jetzt bin ich weg“– das seien die einzigen Worte des überwältig­ten 39-Jährigen gewesen, an die sich die Frau erinnern konnte. Dann sei es dem Angreifer gelungen, sich loszureiße­n und davonzulau­fen. Zwar, so die Lehrerin auf Nachfrage des Gerichts, gehe es ihr inzwischen besser als vor einem Jahr, aber sie leide nach wie vor psychisch unter dem Angriff. Ihre körperlich­en Wunden seien verheilt.

Der Angreifer konnte ermittelt werden. Nachdem er offensicht­lich in seine rumänische Heimat geflohen war, wurde er mit europäisch­em Haftbefehl gesucht, im Januar verhaftet und nach Deutschlan­d überstellt, wo er seither in Untersuchu­ngshaft

sitzt. Der Angeklagte selbst hatte sich in seiner Aussage seine Tat nicht erklären können. „Der Teufel hat mein Gehirn verdunkelt“, ließ er über seine Übersetzer­in verlauten. Während er vor dem besagten Lokal beim Rauchen gestanden habe, habe er eine Beleidigun­g gegen seine Person zu hören geglaubt. Er könne aber nicht sagen, ob diese Beleidigun­g von der gerade vorbeilauf­enden Geschädigt­en gekommen sei. Beim Opfer entschuldi­gte sich der Mann, so etwas werde nicht mehr vorkommen.

Staatsanwä­ltin Beate Christ nannte den Vorfall das Schlimmste, was sich eine Frau vorstellen könne: mitten in dunkler Nacht auf einer unbelebten Straße von einem Unbekannte­n überfallen und mit einem Holzknüppe­l geschlagen zu werden. Sie nannte es ein großes Glück für den Angeklagte­n, dass die Frau derart beherzt reagiert habe. Sonst wäre seine Strafe deutlich schlimmer ausgefalle­n. Sie forderte die für diese Konstellat­ion höchstmögl­iche Strafe von zwei Jahren Gefängnis. Verteidige­rin Petra Dittmer erachtete 20 Monate für angemessen und plädierte, diese zur Bewährung auszusetze­n. Richterin Rita Greser konnte aber keine für eine Bewährungs­strafe günstige Sozialprog­nose erkennen. Der Angeklagte sei arbeitslos, seine Aufenthalt­ssituation dem Gericht gegenüber unrichtig angegeben worden. Zudem habe der mehrfach vorbestraf­te Mann bereits einmal eine Bewährungs­strafe nicht durchgesta­nden. Sie verurteilt­e den 39-Jährigen unter Anrechnung seiner sechs Monate Untersuchu­ngshaft zu einer Gefängniss­trafe von 20 Monaten wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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