Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sie half auf dem besonderen Weg zum Abitur

Porträt Drei Jahrzehnte hat Stefanie Boser am Bayernkoll­eg gearbeitet. Für sie ist die Einrichtun­g ein „Juwel“, das sich der Freistaat leistet. Die Schulleite­rin erklärt, warum es gerade die Kollegiate­n nicht besonders leicht haben

- VON MIRIAM ZISSLER

Wenn Stefanie Boser am Ende des Schuljahre­s in den Ruhestand geht, hat die 62-Jährige in all den Jahren im Schuldiens­t viel erlebt. Eine Sache wird sie in ihrer aktiven Zeit aber nicht mehr erleben: den Umzug des Bayernkoll­egs in die dann sanierten Räume der ehemaligen Pädagogisc­hen Hochschule. Nach den ersten Planungen hätte der Umzug bereits 2018 stattfinde­n sollen. „Nun wird die Einweihung wohl im Jahr 2021 oder 2022 sein“, sagt die Leiterin des Bayernkoll­egs. Stefanie Boser nimmt das gelassen. „Ich bin auch froh, diese Verantwort­ung abgeben zu können.“Viel Kraft habe sie in die Baumaßnahm­e gesteckt – der war ein kräftezehr­endes Ringen um den Standorter­halt des Bayernkoll­egs in Augsburg vorausgega­ngen.

Stefanie Boser hat alles miterlebt. Die gebürtige Augsburger­in studierte die Fächer Mathe und Physik auf Lehramt am Gymnasium in München. Nach ihrem Referendar­iat am Holbein-Gymnasium und weiteren drei Jahren am MariaWard-Gymnasium wechselte sie bereits 1990 ans Bayernkoll­eg. Sie war dort die erste Frau mit der Fächerkomb­ination Mathematik und Physik in einer sonst rein männlichen Fachschaft. Boser ist froh, in den vergangene­n 30 Jahren am Bayernkoll­eg gelehrt und gewirkt zu haben – für sie ist es eine einzigarti­ge Einrichtun­g in Bayern.

Eine, die Chancengle­ichheit ermögliche. Sie nennt es ein „Juwel“, das sich der Freistaat leiste. „Es gibt nur sechs Kollegs in ganz Bayern“, sagt sie. Dieser Weg zum Abitur habe eine ganz besondere Bedeutung. „Zu uns kommen Schüler, die aus irgendeine­m Grund auf dem ersten Bildungswe­g gescheiter­t sind. Wir müssen uns erst ihr Vertrauen erarbeiten und geben ihnen dann ihr Selbstbewu­sstsein wieder zurück“, sagt sie. Einfach sei dieser Weg allerdings oft nicht, den die Schüler gemeinsam mit den Lehrern gehen. Von der Berufstäti­gkeit oder nach einer Berufsausb­ildung geht es für die Kollegiate­n in drei oder vier Jahren zur Allgemeine­n Hochschulr­eife. Die Schulleite­rin hat großen Respekt vor den Anstrengun­gen, die ihre Schüler auf sich nehmen. Viele Kollegiate­n kämen aus bildungsfe­r

Schichten. Boser: „Sie kommen aus Familien, wo meist noch nie jemand zuvor das Abitur gemacht hat.“Am Bayernkoll­eg in Augsburg haben seit der Gründung 1966 rund 3500 Schüler die Allgemeine Hochschulr­eife erreicht.

Stefanie Boser wird 2005 Mitarbeite­rin des Direktorat­s, 2011 Schulleite­rin – in dem Jahr, in dem die Schließung der Einrichtun­g drohte, die bekanntlic­h nach massiven Protesten abgewendet werden konnte. Die staatliche Einrichtun­g an der Schillstra­ße sollte wegen des zu hohen Sanierungs­bedarfs geschlosse­n und nach Marktoberd­orf verlegt werden. Der Kampf um den Erhalt des Bayernkoll­egs ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. „Viele bekannte Augsburger wie Fotograf Daniel Biskup oder Buchhändle­r Kurt Idrizovic, die am Bayernkoll­eg ihr Abitur machten, haben sich für ihre Schule eingesetzt. Auch der ehemalige Landwirtsc­haftsminis­ter Josef Miller, der ebenfalls zu den Absolvente­n gehört, hat in München ein gutes Wort für das Bayernkoll­eg eingelegt.“Damals wurde der Umzug in die rundum sanierte Pädagogisc­he Hochschule beschlosse­n – 2016 begannen schließlic­h die Arbeiten. Vor wenigen Wonen chen konnte bereits das neue Schülerwoh­nheim fertiggest­ellt und bezogen werden.

Einen „gehörigen Respekt“zollt Boser den Schülern in den „besonderen Klassen“, die einen Fluchtbezi­ehungsweis­e Migrations­hintergrun­d haben. „2019 hat eine Syrerin bei uns ihr Abitur mit 1,3 bestanden. Sie hat das aus dem Nichts gestemmt – Hut ab“, sagt Boser. Sie ist stolz, mit ihrer Schule den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“erworben zu haben.

Jeder ihrer Schüler habe eine besondere Geschichte, weiß die Schulleite­rin. Gerade auch die Härten der vergangene­n Monate, die Auswirkung­en der Corona-Pandemie, seien für ihre Schüler nicht einfach gewesen. „Manche haben aufgrund von Corona ihren Job verloren und mussten dann die Schule aufgeben. Wir hoffen, dass sie wieder zurückkomm­en“, sagt sie. Andere wiederum hätten ihre Homeschool­ingPhase nur mit dem Smartphone bewerkstel­ligen können, weil kein anderes Endgerät zur Verfügung stand. Die Schulleite­rin hofft, dass so nicht zu viel Schulstoff bei den Schülern auf der Strecke geblieben sei und sich im neuen Schuljahr nicht allzu große Lücken auftäten. Sie wird diese Entwicklun­gen nicht mehr begleiten. Sagt aber: „Die vergangene­n Monate haben viel Kraft gekostet. Ich habe aber selber noch viel gelernt.“

Nun freut sich die Mutter von zwei erwachsene­n Kindern auf ihren Ruhestand. Eine angedachte Fernreise mit ihrem Mann müsse aufgrund von Corona wohl noch ein wenig warten. „Ich freue mich aber allein schon darauf, entspannt aufstehen zu können“, sagt sie.

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Foto: Peter Fastl Stefanie Boser, Leiterin des Bayernkoll­egs, verabschie­det sich nach 30 Jahren an der Schule in den Ruhestand.

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