Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Panne in Garchinger Reaktor
Radioaktivität über Kamin ausgetreten
Garching Am Forschungsreaktor FRM II in Garching ist radioaktiver Kohlenstoff ausgetreten. Der Jahresgrenzwert des Nuklids C-14 sei überschritten worden, teilte die Technische Universität München als Betreiberin mit. Für Menschen und Umwelt habe zu keiner Zeit Gefahr bestanden, betonten die Betreiber sowie das bayerische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde.
Es sei eine „geringfügige Überschreitung“des in der Betriebsgenehmigung festgelegten Wertes bei der C-14-Ableitung über den Kamin in die Atmosphäre festgestellt worden, hieß es. Der Jahresgrenzwert sei um rund 15 Prozent überschritten worden, sagte FRM-IISprecherin Anke Görg. Grund war den Angaben zufolge ein „individueller Fehler“bei der Montage einer Trocknungseinrichtung.
Schon 2012 hatte es einen ähnlichen Vorfall mit niedrigeren Werten gegeben. Danach war das Verfahren laut der Betreiber verbessert worden. Bei einer Ausschöpfung des Grenzwertes liege die theoretische Belastung der Bevölkerung bei maximal 3 Mikrosievert, so Görg. Das sei weniger als der Wert, dem ein Patient bei einer Röntgenaufnahme beim Zahnarzt ausgesetzt sei. Er entspricht laut Technischer Universität zugleich einem Prozent der laut Strahlenschutzverordnung zulässigen jährlichen Strahlendosis von 300 Mikrosievert, die der Bevölkerung aus Ableitungen radioaktiver Stoffe mit der Luft zuzumuten sei.
Grüne und Umweltschützer forderten Konsequenzen aus dem Vorfall. „Mit Überschreitung des Jahresgrenzwerts für den C-14-Ausstoß darf der Reaktor in diesem Jahr nicht mehr angefahren werden“, sagte der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann. Es dürfe keine zusätzliche radioaktive Belastung der Menschen in der Nähe des Meilers geben. Die neue Panne zeige, dass die Betreiber den Reaktor nicht im Griff hätten. „Das ist bei einem Atommeiler nicht hinnehmbar.“
Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Richard Mergner, äußerte sich „sehr besorgt“und forderte eine Stilllegung. Er halte den Betrieb derzeit wegen der Nutzung von hochangereichertem Uran ohnehin für nicht mehr durch die Betriebsgenehmigung gedeckt. Ähnlich äußerte sich Heinz Smital von Greenpeace. Der Forschungsreaktor falle seit Jahren durch eine schlechte Sicherheitskultur auf, kritisierte Smital. Dies schade aber nicht nur der Umwelt, sondern auch dem wissenschaftlichen Betrieb. Wegen der Corona-Beschränkungen steht der Reaktor seit 17. März still.