Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wann Vorstandschefs gekündigt werden
Recht Audi-Chef Rupert Stadler ist festgenommen worden – entlassen aber nicht. Denn der Aufsichtsrat braucht wichtige Gründe für eine Kündigung. Eine Anklage alleine reicht nicht. Deshalb gehen die meisten Unternehmen einen anderen Weg
München Wie wird man einen Vorstand los? Diese Frage stellt sich gerade im Zusammenhang mit dem inhaftierten Audi-Vorstandschef Rupert Stadler. Er ist nur beurlaubt, auf eigene Bitte. Aber selbst wenn ein Aufsichtsrat wollte, könnte er einen Topmanager nicht einfach vor die Tür setzen.
Eine Kündigung ist eine ganz andere Hausnummer, wie der Konstanzer Arbeitsrechtler Rolf Stagat erklärt. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist kein Arbeitnehmer, sondern „Dienstnehmer“. Sein Dienstvertrag regelt Vergütung und Pensionsansprüche und läuft in der Regel nur fünf Jahre. Davon zu unterscheiden ist seine Funktion im Vorstand. Der Aufsichtsrat kann den Dienstvertrag kündigen oder den Manager aus dem Vorstand abberufen – aber nur aus „wichtigem Grund“. Und was ein wichtiger Grund ist, ist im Gesetz nicht näher beschrieben. „Aber die Hürden liegen hoch“, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit einige Eckpunkte verankert. Oft geht es um strafrechtliche Delikte. „Wenn jemand durch eine seinem Unternehmen schadet, ist das ein wichtiger Grund“, sagt Stagat. Das geschieht immer fristlos, durch außerordentliche Kündigung. Auch wenn ein Vorstand seine Sorgfaltspflicht verletzt und dadurch seinem Unternehmen schadet, kann das Grund für Kündigung und Schadenersatzforderungen sein. Wenn durch persönliches Verhalten das Firmenimage leide und Kunden sich abwendeten, sei ebenfalls eine Abberufung oder Kündigung denkbar. Die Frage ist nur: Wann schadet jemand dem Firmenimage? Und lässt sich das vor Gericht stringent argumentieren?
Doch wenn Ermittlungen im Sande verlaufen, steht der Vorstand mit weißer Weste da: „Die Kündigung wäre unberechtigt.“
Auch eine Anklage ist noch keine Verurteilung – viele Prozesse endeten mit Freisprüchen. Das hat auch die Münchner Staatsanwaltschaft schon erfahren: Der ehemalige Infineon-Chef Ulrich Schumacher wurde wegen Bestechlichkeit angeklagt und freigesprochen. Die ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer, Josef Ackermann und Jürgen Fitschen wurden wegen ver- suchten Betrugs angeklagt und freigesprochen. Den Prozess gegen den früheren Chef der Bank Hypo-RealEstate, Georg Funke, stellte das Landgericht ohne Urteil ein.
Meist gehen Unternehmen, die sich von einem Vorstand trennen wollen, deshalb anders vor – das Beschäftigungsverhältnis endet geStraftat räuschlos mit einem goldenen Handschlag. Die meisten Firmen wollen einen Streit auf offener Bühne vermeiden. „Die ungeschriebene Regel: Je höher die Position, umso unwahrscheinlicher ist ein Prozess“, sagt Stagat. Einem nicht mehr gewollten Vorstand gehe es meist auch vor allem um sein Gehalt bis zum Ende der Vertragslaufzeit und um seine Pensionsansprüche. „Dann wird ein Paket ausgehandelt.“Das war bei VW-Konzernchef Martin Winterkorn so, mit gut 3000 Euro Rente täglich, und auch die sechs Audi-Vorstände, die seit 2015 vorzeitig gehen mussten, klagten nicht.
Stadlers Vertrag bei Audi läuft noch bis Ende 2022. Im Untersuchungsgefängnis bei Augsburg werden seine Briefe kontrolliert, jeder Besuch muss genehmigt werden, und mit Besuchern darf er nur im Beisein eines Justizbeamten reden, nur auf deutsch und nicht über die Tatvorwürfe, wie die Staatsanwaltschaft erklärt.
Sein Verteidiger kann Haftbeschwerde beim Oberlandesgericht einlegen oder bei der Ermittlungsrichterin am Amtsgericht Haftprüfung beantragen, wenn es einen neuen Sachverhalt gibt. Wenn der dringende Tatverdacht oder die Verdunkelungsgefahr entfallen würden, wäre er sofort zu entlassen, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Bei einer Verurteilung wegen Betruges aber drohen im äußersten Fall bis zu 15 Jahre Haft.
Roland Losch, dpa