Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das kleine Pardon der Deneuve
#MeToo Schauspielerin entschuldigt sich bei Opfern sexueller Gewalt, bleibt aber bei ihrer Meinung
Paris Sie konnte all die Kritik nicht auf sich sitzen lassen: Die Schauspielerin Catherine Deneuve bittet in einem offenen Brief in der Zeitung Libération alle Opfer sexueller Gewalt und nur diese um Pardon, falls sie diese verletzt habe. Eine von der 74-Jährigen mit unterzeichnete Stellungnahme hatte vor einer Woche zu einem Aufschrei von Frauenrechtlerinnen weit über die französischen Grenzen hinaus geführt.
Darin kritisierten 100 Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Schriftstellerinnen ein totalitäres Klima im Zuge der #MeToo-Debatte nach dem Skandal um den USProduzenten Harvey Weinstein. Ungeschickte oder aufdringliche Anmache sei noch kein Delikt, heißt es darin: Wenn sich ein Mann in einem vollen Metrozug an einer Frau reibe, handle es sich eben um einen Ausdruck sexueller Not. Das Recht, lästig zu sein, gehöre zur sexuellen Freiheit. Feministinnen sahen in diesen Zeilen eine Banalisierung und Rechtfertigung von sexueller Gewalt gegen Frauen gerade in beruflichen Milieus, wo Männer ihre Machtposition oft schamlos ausnutzten. Deneuve aber fühlte sich falsch verstanden. „Ich mag diesen Charakterzug unserer Zeit nicht, wo jeder sich das Recht herausnimmt zu urteilen, Schiedsrichter zu spielen.“Eine unbewiesene Anschuldigung in den sozialen Netzwerken gegen einen Mann könne dessen Bestrafung, Kündigung, ja oftmals eine mediale Lynchjustiz nach sich ziehen. Dabei entschuldige sie kein Fehlverhalten von Männern und distanziere sich von anderen Unterzeichnerinnen wie der Schauspielerin und früheren Pornodarstellerin Brigitte Lahaie: Diese hatte in einer Fernsehsendung erklärt, man könne eine Vergewaltigung auch genießen. So etwas zu behaupten sei schlimmer als ins Gesicht all derer zu spucken, die so ein Verbrechen erlitten haben, so Deneuve. Die Grande Dame des französischen Kinos erklärt, auch selbst bereits in mehr als unangenehme Situationen geraten zu sein. Aber sie fürchte ein Klima der Zensur: „Werden wir die Sammlung von Marquis de Sade verbrennen? Leonardo da Vinci als pädophilen Künstler anprangern und seine Gemälde auslöschen? Gauguin in den Museen abhängen?“Bereits 2017 hatte Catherine Deneuve provoziert, indem sie den Regisseur Roman Polanski verteidigte, dem die Vergewaltigung Minderjähriger vorgeworfen wird: Er habe immer sehr junge Frauen gemocht: „Aber das Wort Vergewaltigung erscheint mir etwas übertrieben“.
In einem Interview sagte sie, sie bedauere männerfeindliche Einstellungen, „wo doch das Ziel ist, zu mehr Harmonie zu den Geschlechtern zu gelangen“. Sie lasse sich in keine Ecke drängen, so Deneuve: „Ich bin eine freie Frau und werde es bleiben.“