Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wieder deutsches Ehepaar in Türkei festgenommen
Konflikt Auswärtiges Amt spricht von Albtraum. Warum es dennoch keine Reisewarnung gibt
Berlin Wer in die Türkei reist, muss sich das inzwischen sehr genau überlegen: Nach Informationen des Auswärtigen Amtes ist dort schon wieder ein Paar aus der Bundesrepublik festgenommen worden. Es gebe konkrete Anhaltspunkte, „dass erneut ein deutsches Ehepaar türkischer Abstammung in Istanbul in Polizeigewahrsam gekommen ist“, sagte der Sprecher des Ministeriums, Martin Schäfer. Offizielle Informationen der türkischen Behörden lägen bislang zwar nicht vor. Es sei aber davon auszugehen, dass einer der beiden am Sonntag festgenommenen Ehepartner noch von der Polizei festgehalten werde. Gegen die zweite Person, die offenbar wieder freigelassen wurde, sei eine Ausreisesperre verhängt worden. Das Paar soll aus Hessen stammen.
Eine offizielle Reisewarnung für die Türkei will das Außenministerium trotzdem noch nicht aussprechen. Man wolle die für die Bürger so wichtigen Reise- und Sicherheitshinweise nicht für politische Zwecke missbrauchen, betonte Schäfer. Wenn Festnahmen und Verhaftungen aber zur „täglichen Routine“würden, könne es jedoch so weit kommen. Allerdings müsse sich jeder Deutsche, der zurzeit in die Türkei reise, auch jetzt schon damit beschäftigen, was passieren könne in diesem Land. Schäfer wörtlich: „Der Albtraum, der inzwischen so viele deutsche Staatsangehörige betrifft, die nichts anderes machen wollten, als Urlaub in der Türkei zu verbringen, dieser Albtraum setzt sich fort.“Auf der Liste der Staaten, für die das Amt derzeit eine scharfe Reisewarnung ausgesprochen hat, stehen unter anderem Libyen, Syrien und Afghanistan.
Zuletzt hatte die Türkei Ende August ein deutsches Ehepaar mit türkischen Wurzeln bei der Einreise am Flughafen in Antalya festgenommen. Beide sind inzwischen zwar wieder frei. Während die Frau aber nach Deutschland zurückkehren durfte, wurde der Mann ebenfalls mit einer Ausreisesperre belegt. Den beiden wurden Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung vorgeworfen, die von der türkischen Regierung für den gescheiterten Putschversuch vor einem Jahr verantwortlich gemacht wird.
In Deutschland hatte der Fall eine Diskussion über eine weitere Verschärfung des Kurses gegenüber der Türkei ausgelöst. Die türkische Regierung reagierte am Samstag mit einer „Reisewarnung“für Deutschland. Darin ruft das türkische Außenministerium in Deutschland lebende oder dorthin reisende Türken zur „Vorsicht“auf. Diese Provokation heizte die Türkei-Debatte in Deutschland an. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, „das kann doch kein vernünftiger Mensch mehr ernst nehmen“. Er bekräftigte die Forderung nach einem Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Auch Kanzlerin Merkel kritisierte: „Diese Reisewarnung ist lächerlich“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu. „Mir wäre wichtig, dass die türkische Regierung sich aus dem Bundestagswahlkampf heraushält.“
Um den Streit mit der Türkei geht es auch im Kommentar.