Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neues Leben für alte Akkordeons
Musik Eine Nürnbergerin restauriert die Instrumente, die in Bayern immer beliebter werden. Was steckt hinter dem Quetschkommoden-Trend?
Jahrzehntelang sorgten sie in Gasthäusern, Tanzsälen und bei Vereinsfesten für Stimmung – dann verschwanden viele der Instrumente für lange Zeit auf dem Dachboden. Wenn die alten Akkordeons heute auf Simone Wiechs Werkbank landen, haben sie oft 30 bis 50 Jahre auf dem Buckel. „Ich habe aber auch schon mal ein 120 Jahre altes Instrument in meiner Werkstatt gehabt“, berichtet die 43 Jahre alte Nürnbergerin. Wiech gehört zu den wenigen in Deutschland, die alten Akkordeons neues Leben einhauchen. Lange galt das Instrument als altbacken. Doch das ändere sich gerade.
Dafür habe nicht zuletzt die schon vor Jahren nach Deutschland geschwappte Tango-Welle gesorgt. Dazu komme die zunehmende Popularität der Volksmusik. Arbeit hat die Fränkin genug: „Ich habe einen ganzen Raum voll mit Reparaturaufträgen.“ Wenn Wiech verstimmte Akkordeons mit verklemmten Tasten, verrosteten Stimmzungen und undichten Klappen mit ihren filigranen Metallinstrumenten untersucht, glänzen ihre Augen. Die Generalüberholung eines Akkordeons ist allerdings zeitaufwendig. Allein für das Stimmen eines Instruments veranschlagt Wiech acht bis zehn Arbeitsstunden. Die Sanierung eines kompletten Instruments dauert bis zu zwei Wochen.
Beim Deutschen HarmonikaVerband (DHV) im schwäbischen Trossingen ist man derweil über jeden Instrumentenbauer froh, der noch ältere Akkordeons überholt und repariert. „Denn viele davon gibt es in Deutschland nicht mehr“, berichtet DHV-Schatzmeisterin Heike Braun-Staufenberger. Wer sein Akkordeon überholen lassen wolle, müsse oft weite Wege in Kauf nehmen.
Problematisch seien bei älteren Akkordeons zudem die Ersatzteile. Im DHV sind bundesweit rund 12 000 Vereine organisiert. Gespielt wird das Instrument nach Verbandsschätzung von 60000 bis 65 000 Bundesbürgern.