Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Politik hat keinen Platz auf dem Platz
Fußball Die Töne zwischen der Türkei und der EU werden schärfer. In den Vereinen der Region kommt das aber nicht zur Sprache. Eine türkische Mannschaft aber fühlt sich benachteiligt
Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist derzeit politisch sehr angespannt. Dazu gibt es Zwiste zwischen Anhängern und Gegnern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Offenbar schlägt sich weder das eine noch das andere in türkischen Fußballvereinen, in denen auch Deutsche sind, oder in deutschen Fußballklubs mit einer Reihe von türkischen Spielern nieder. Die Verantwortlichen versuchen, gar keine Diskussionen aufkommen zu lassen.
„Politische Gespräche über Erdogan gehören momentan zum Alltag“, sagt Ayhan Korkmaz, der Vorsitzende des VfR Foret. Der Verein im Langweider Ortsteil wurde 1967 als Betriebsmannschaft der ortsansässigen Firma Ernst Michalke gegründet. Mittlerweile setzt sich nicht nur der Großteil der Vorstandschaft sondern auch die aktuelle Mannschaft aus Personen zusammen, die türkische Wurzeln haben. „Auch in unserem Verein gibt es die für Erdogan und welche, die gegen Erdogan sind. Aber Debatten darüber lasse ich nicht zu. Wir wollen Fußball spielen“, stellt Korkmaz klar. „Bei uns spielen Türken, Sunniten, Aleviten und Kurden. Die meisten haben einen klaren Kopf. Politik ist bei uns kein Problem.“
Das Thema Erdogan sprechen die Verantwortlichen beim B-Klassisten FV Bosporus Thannhausen nicht gern an. „Klar gibt es da bei uns unterschiedliche Meinungen. Der eine liebt ihn, der andere hasst ihn. Aber wir distanzieren uns sehr von politischen Themen“, so Abteilungsleiter Baris Yurt: „Kurde, Türke, Alevite, Armenier, das spielt bei uns keine Rolle.“
In der Fußball-Kreisliga West gab es am vergangenen Wochenende einen weiteren Aufreger mit türkischer Beteiligung: Beim 4:0-Sieg des TSV Offingen fühlte sich der unterlegene Verein Türk Spor Ichenhausen von Schiedsrichter Markus Heidel vom FC Horgau benachteiligt. Der hatte die Mannschaftsverantwortlichen unter anderem mit dem jüdischen Gruß „Scha- lom“angesprochen (wir berichteten). Der Vorsitzende Yasin Ata fürchtet, dass der Regierungskonflikt auf die Fußballplätze der Region getragen werden könnte. „Mir geht es nicht um das ,Schalom’, sondern sportliche Benachteiligung aufgrund unserer Herkunft.“Dabei sei ihnen der Konflikt zwischen der Türkei und der EU völlig egal. „Wir sind ein Sportverein, keine politische Partei.“
Ata ist zwar bewusst, dass nicht allein die Schiedsrichter schuld sind, dass Türk Spor auf dem letzten Tabellenplatz der Kreisliga steht. Und doch hätte das Team einen „Moralschaden“davongetragen, sie fühlten sich nicht genügend anerkannt. „Wir machen auch ehrenamtlich unsere Arbeit. Aber wir fühlen uns oft nicht erwünscht.“Baris Yurt kann dieses Gefühl gut nachvollziehen. „Andererseits ist es auch immer sehr leicht zu sagen: ,Der hat was gegen mich’“, sagt der Abteilungsleiter des FV Bosporus Thannhausen. Ähnlich sieht es auch Fatih Caglar vom Kreisklassisten Türkiyemspor Krumbach. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Bei rasSpieler, sistischen Kommentaren höre ich gar nicht hin.“Es gebe aber eben immer wieder Leute, die sich auf dem Platz daneben benehmen, egal, ob Türken oder Deutsche.
Ayhan Korkmaz ist da ein wenig anderer Meinung. Man habe in der Saison 28 Spiele, darunter seien vielleicht zwei, in denen man heruntergepfiffen werde. „Das hat aber mit deutsch oder türkisch nichts zu tun. Es gibt einfach einzelne Schiedsrichter, die ihr Ego ausleben wollen.“Und nicht immer liege es auch ausschließlich am Unparteiischen. „Es kommt immer auf die Tagesform an und wie man ihm gegenüber tritt. Vielleicht wird der Schiedsrichter ja auch mal provoziert.“
Geärgert hat er sich diese Saison bisher nur über den Platzverweis seines Spielers Milan Szabo beim Spiel in Zusmarshausen. „Er hat den Schiedsrichter angestupst und das Sportgericht hat das als Tätlichkeit ausgelegt“, ist Ayhan Korkmaz über die Sperre von acht Spielen ehrlich entsetzt. Andererseits: „Der Schiedsrichter ist unantastbar – und Milan Szabo ist nicht Türke sondern Ungar.“