Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Laufband für Pferde
Unternehmen Horsegym 2000 beliefert vom kleinen Großsorheim aus Pferdebesitzer in der ganzen Welt
Seine Geschichte hört sich an, als hätte sie ein moderner Märchenerzähler geschrieben. Vom Tellerwäscher zum erfolgreichen Unternehmer ist das Motto, rassige Pferde spielen eine große Rolle. Und es gibt auch eine Hauptfigur: Siegfried Mitzel. Der hat aber eigentlich gar keine Zeit, sich über solch verträumte Analysen Gedanken zu machen. „Zu sehr hänge ich in den Seilen“, sagt er.
Mitzel ist Pferdenarr und hatte eine geniale Idee. Er entwickelt Trainingsgeräte für Pferde. „Eine Marktlücke“, war er überzeugt und sollte recht behalten. Anfangs tüftelte der Maschinenbauer in Garagen und Lagerhallen an seiner Erfindung. Es gab viele logistische Hindernisse zu überwinden. „Wir baggerten einfach ein Loch und stellten das erste Laufband hinein, damit die Pferde ebenerdig zusteigen konnten“, erinnert er sich.
Er hat wenig Zeit, schon ist er wieder auf dem Sprung. Sein Reiseziel: Japan. Das Land ist inzwischen ein wichtiger Exportmarkt für die Trainings- und Fitnessgeräte „made in Schwaben“. Danach steht die „Equitana“in Essen auf dem Pflichtprogramm, die Weltmesse des Pferdesports. Dort ist Mitzels Firma, die „Horse Gym 2000 – Wir machen Champions“auf einer großen Präsentationsfläche vertreten.
Angefangen hat alles in Buchdorf. Inzwischen hat sich das Unternehmen im Harburger Stadtteil Großsorheim etabliert. Hier betreibt Mitzel auch eine Pferdezucht. „Das ist ideal, denn unsere Entwicklungen können wir so optimal testen.“Die Firma ist längst Weltmarktführer in der Herstellung von Pferdelaufbändern, allesamt inzwischen patentiert. „Wir wollen mit unseren Laufbändern die natürlichen Bewegungen des Pferdes unterstützen“, erklärt er.
Die früher existierenden Laufbänder funktionierten über Rollen. „Sie verhinderten das plane Auffußen des Pferdehufes und arbeiteten somit gegen die natürliche Bewegung des Pferdes“, erklärt Franziska Wallner, die in dem Betrieb eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement absolviert hat und selbst Pferdewirtin ist.
Heute sind Mitzels Produkte weltweit Verkaufsschlager. Zu den Kunden zählen der russische Präsident Wladimir Putin, Corinna Schumacher, der dreifache Olympiasieger Michael Jung, die DressurGoldmedaillengewinnerin Dorothe Schneider oder die Pferdezüchterin und erfolgreiche Reiterin Lisa Müller, die Frau des Bayern-Stürmers.
Die Laufbänder werden mittlerweile in der Regel mit BergaufFunktionen ausgeliefert – bergab geht es nur auf Sonderwunsch. Das ist aber weniger gefragt, berichtet Wanner, wenngleich sie einräumt, dass Sonderwünsche an der Tagesordnung sind. Besonders die Scheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kennen da offensichtlich kaum Grenzen.
Die Firma liefert auch Laufbänder für Kamele oder Hunde. Oder für Schafe – genutzt von der Universität Tübingen, die an den Tieren Parkinson-Medikamente erforscht. Hauptgeschäft ist aber der Verkauf von Laufbändern für Pferde, die im Dressur- oder Pferdesport eingesetzt werden, oder im Rennbereich, wie in Japan oder den Emiraten. Rennpferde können auf den Bändern mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde galoppieren, um gezielt die Muskulatur der Hinterhand zu trainieren. „Die meisten der besten Springreiter sind Kunde bei uns“, berichtet Mitzel. Eingesetzt werden die Geräte auch in der Rehabilitation, wenn die Lungenfunktion von Pferden oder die Widerstandskraft von Sehnen verbessert werden soll.
Ständig entwickeln die Tüftler aus Großsorheim neue Produkte. Bei den meisten Modellen lässt sich nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Pulsfrequenz einstellen. Die Lieferungen in die Emirate werden zusätzlich mit Ventilatoren zur Kühlung ausgestattet.
Als Siegfried Mitzel das erste Produkt baute, war an die Technik und das Design von heute nicht zu denken. Das so simpel klingende Prinzip ließ sich schwer umsetzen. „Ich war bestimmt zweimal ganz nahe an der Pleite“, lacht der Unternehmer heute. Allesamt sind seine Produkte in der Tat Luxus.
Niemals sind alle Mitarbeiter an der Produktionsstätte präsent, weil die Firma einen weltweiten Kunden-Montageservice anbietet. In Melbourne gibt es außerdem einen Vertriebssitz, den Armin Fürnrohr betreut, ein Großsorheimer, der nach Australien ausgewandert ist. Einige hundert Bänder hat die Firma im vergangenen Jahr ausgeliefert, fünf Millionen Jahresumsatz macht sie damit.
Es sind vor allem Turnierreiter, die im Winter bei Frost und Schnee nicht trainieren können, die im Winter Produkte der Firma ordern.
Mehr und mehr wandelt sich dies allerdings: Die Hälfte des Umsatzes wird inzwischen mit Kunden aus dem Nahen und Mittleren Osten erzielt. Oder Kunden aus Hongkong und Seoul, wo es wenig Platz zum Ausritt gibt.