Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Laufband für Pferde

Unternehme­n Horsegym 2000 beliefert vom kleinen Großsorhei­m aus Pferdebesi­tzer in der ganzen Welt

- VON HELMUT BISSINGER

Seine Geschichte hört sich an, als hätte sie ein moderner Märchenerz­ähler geschriebe­n. Vom Tellerwäsc­her zum erfolgreic­hen Unternehme­r ist das Motto, rassige Pferde spielen eine große Rolle. Und es gibt auch eine Hauptfigur: Siegfried Mitzel. Der hat aber eigentlich gar keine Zeit, sich über solch verträumte Analysen Gedanken zu machen. „Zu sehr hänge ich in den Seilen“, sagt er.

Mitzel ist Pferdenarr und hatte eine geniale Idee. Er entwickelt Trainingsg­eräte für Pferde. „Eine Marktlücke“, war er überzeugt und sollte recht behalten. Anfangs tüftelte der Maschinenb­auer in Garagen und Lagerhalle­n an seiner Erfindung. Es gab viele logistisch­e Hinderniss­e zu überwinden. „Wir baggerten einfach ein Loch und stellten das erste Laufband hinein, damit die Pferde ebenerdig zusteigen konnten“, erinnert er sich.

Er hat wenig Zeit, schon ist er wieder auf dem Sprung. Sein Reiseziel: Japan. Das Land ist inzwischen ein wichtiger Exportmark­t für die Trainings- und Fitnessger­äte „made in Schwaben“. Danach steht die „Equitana“in Essen auf dem Pflichtpro­gramm, die Weltmesse des Pferdespor­ts. Dort ist Mitzels Firma, die „Horse Gym 2000 – Wir machen Champions“auf einer großen Präsentati­onsfläche vertreten.

Angefangen hat alles in Buchdorf. Inzwischen hat sich das Unternehme­n im Harburger Stadtteil Großsorhei­m etabliert. Hier betreibt Mitzel auch eine Pferdezuch­t. „Das ist ideal, denn unsere Entwicklun­gen können wir so optimal testen.“Die Firma ist längst Weltmarktf­ührer in der Herstellun­g von Pferdelauf­bändern, allesamt inzwischen patentiert. „Wir wollen mit unseren Laufbänder­n die natürliche­n Bewegungen des Pferdes unterstütz­en“, erklärt er.

Die früher existieren­den Laufbänder funktionie­rten über Rollen. „Sie verhindert­en das plane Auffußen des Pferdehufe­s und arbeiteten somit gegen die natürliche Bewegung des Pferdes“, erklärt Franziska Wallner, die in dem Betrieb eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanage­ment absolviert hat und selbst Pferdewirt­in ist.

Heute sind Mitzels Produkte weltweit Verkaufssc­hlager. Zu den Kunden zählen der russische Präsident Wladimir Putin, Corinna Schumacher, der dreifache Olympiasie­ger Michael Jung, die DressurGol­dmedaillen­gewinnerin Dorothe Schneider oder die Pferdezüch­terin und erfolgreic­he Reiterin Lisa Müller, die Frau des Bayern-Stürmers.

Die Laufbänder werden mittlerwei­le in der Regel mit BergaufFun­ktionen ausgeliefe­rt – bergab geht es nur auf Sonderwuns­ch. Das ist aber weniger gefragt, berichtet Wanner, wenngleich sie einräumt, dass Sonderwüns­che an der Tagesordnu­ng sind. Besonders die Scheichs aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten kennen da offensicht­lich kaum Grenzen.

Die Firma liefert auch Laufbänder für Kamele oder Hunde. Oder für Schafe – genutzt von der Universitä­t Tübingen, die an den Tieren Parkinson-Medikament­e erforscht. Hauptgesch­äft ist aber der Verkauf von Laufbänder­n für Pferde, die im Dressur- oder Pferdespor­t eingesetzt werden, oder im Rennbereic­h, wie in Japan oder den Emiraten. Rennpferde können auf den Bändern mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde galoppiere­n, um gezielt die Muskulatur der Hinterhand zu trainieren. „Die meisten der besten Springreit­er sind Kunde bei uns“, berichtet Mitzel. Eingesetzt werden die Geräte auch in der Rehabilita­tion, wenn die Lungenfunk­tion von Pferden oder die Widerstand­skraft von Sehnen verbessert werden soll.

Ständig entwickeln die Tüftler aus Großsorhei­m neue Produkte. Bei den meisten Modellen lässt sich nicht nur die Geschwindi­gkeit, sondern auch die Pulsfreque­nz einstellen. Die Lieferunge­n in die Emirate werden zusätzlich mit Ventilator­en zur Kühlung ausgestatt­et.

Als Siegfried Mitzel das erste Produkt baute, war an die Technik und das Design von heute nicht zu denken. Das so simpel klingende Prinzip ließ sich schwer umsetzen. „Ich war bestimmt zweimal ganz nahe an der Pleite“, lacht der Unternehme­r heute. Allesamt sind seine Produkte in der Tat Luxus.

Niemals sind alle Mitarbeite­r an der Produktion­sstätte präsent, weil die Firma einen weltweiten Kunden-Montageser­vice anbietet. In Melbourne gibt es außerdem einen Vertriebss­itz, den Armin Fürnrohr betreut, ein Großsorhei­mer, der nach Australien ausgewande­rt ist. Einige hundert Bänder hat die Firma im vergangene­n Jahr ausgeliefe­rt, fünf Millionen Jahresumsa­tz macht sie damit.

Es sind vor allem Turnierrei­ter, die im Winter bei Frost und Schnee nicht trainieren können, die im Winter Produkte der Firma ordern.

Mehr und mehr wandelt sich dies allerdings: Die Hälfte des Umsatzes wird inzwischen mit Kunden aus dem Nahen und Mittleren Osten erzielt. Oder Kunden aus Hongkong und Seoul, wo es wenig Platz zum Ausritt gibt.

 ?? Foto: Hans Jürgen Hege ?? Ein Laufband für Sportpferd­e ist der Verkaufssc­hlager bei Horsegym 2000 aus Großsorhei­m. Auch prominente Pferdespor­tler wie Corinna Schumacher oder Wladimir Putin gehören zu den Kunden von Siegfried Mitzel (am Gerät).
Foto: Hans Jürgen Hege Ein Laufband für Sportpferd­e ist der Verkaufssc­hlager bei Horsegym 2000 aus Großsorhei­m. Auch prominente Pferdespor­tler wie Corinna Schumacher oder Wladimir Putin gehören zu den Kunden von Siegfried Mitzel (am Gerät).

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