Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Koffer und zwei Fußballfan­s

Auktion Bei einer Versteiger­ung am Stuttgarte­r Flughafen erlebt ein VfB-Anhänger eine Überraschu­ng: Der Besitzer ist ein FCA-Fan. Wie es jetzt mit dem Koffer weitergeht

- VON JOHANNES GRAF

Als Martin McKeen den Koffer öffnet, ist die Überraschu­ng groß. Einerseits sind Versteiger­ungen von Gepäckstüc­ken an Flughäfen von sich aus eine spannende Angelegenh­eit. Schließlic­h weiß vorher niemand, welche vermeintli­chen Schätze in den guten Stücken schlummern. Anderersei­ts erstaunt McKeen, was er für schlappe 220 Euro erworben hat.

Der 25-Jährige ist Anhänger des Fußball-Zweitligis­ten VfB Stuttgart, im Koffer allerdings findet er Fanutensil­ien eines anderen Klubs: des FC Augsburg. „Das Zeug hätte ich einem Augsburger Kommiliton­en von mir gegeben. Der Rest war eigentlich ganz in Ordnung“, beschreibt McKeen. In Kürze ist er seinen Koffer aber wieder los. Der wahre Besitzer meldet sich – nachdem der Zufall kräftig mithilft.

FCA-Anhänger Christian Korte hat seinen Koffer eigentlich schon abgeschrie­ben. „Auch wenn ich die Sache immer irgendwie im Hinterkopf hatte“, erzählt er. Als die Fußballpro­fis des FC Augsburg Ende Februar zum Rückspiel im Europapoka­l nach Liverpool reisen, begleiten sie Korte und sein Bruder auf ihrem Trip. Von Stuttgart aus geht ihr Flieger auf die Insel. Korte erinnert sich. Schon beim Einchecken habe er sich gewundert, sein Gepäck wird nicht mit einer Banderole versehen. Er denkt sich aber nichts weiter. Das ändert sich in Liverpool. Korte ist da, sein Koffer nicht. Zumindest Geld und die Stadiontic­kets trägt er bei sich.

Nach drei Stunden des Wartens verlässt er den Flughafen und checkt im Hotel ein. Dort nächtigt auch die Mannschaft des FCA. Korte war Aufsichtsr­at, man kennt sich, seine Koffer-Geschichte macht die Runde. Manager Stefan Reuter bietet ihm gar an, ihn einzukleid­en. Korte lehnt ab, hat sich schon das Wichtigste für wenig Geld in einem Shop zugelegt. Dem Augsburger muss das schwergefa­llen sein, auf Reisen sorgt er prinzipiel­l für den Ernstfall vor. Lachend erzählt der 50-Jährige: „Was das betrifft, bin ich schlimmer als eine Frau.“Unter anderem fünf Hemden, drei T-Shirts, drei Hosen, zwei Jacken und zwei paar Schuhe hat er eingepackt. Und natürlich einen FCAKapuzen­pullover und zwei FCA-Schals. Schon während der Tage in Liverpool ist Korte ständig mit dem Flughafen und der Fluggesell­schaft in Kontakt, danach gibt es einen Schriftwec­hsel. Alles erfolglos. Der namenlose Koffer bleibt verscholle­n. Letztlich bietet ihm die Fluggesell­schaft 220 Euro für den Verlust an. Exakt jene Summe, die der Stuttgarte­r McKeen bezahlt – und die Korte nun McKeen überweist.

Als die Bild über den VfB-Fan und den FCA-Koffer berichtet, verbreitet sich die Geschichte in einem FCA-Fanforum, dort wird Korte aufmerksam. Er findet den Namen des VfB-Fans heraus und kontaktier­t ihn über Facebook. „Das ist ein netter Kerl. Wir haben schon abgemacht, dass ich ihn mal nach Augsburg zu einem Spiel einlade“, sagt Korte. Seit elf Jahren ist McKeen VfB-Mitglied, besitzt eine Dauerkarte. Nach Augsburg will er kommen. Vorausgese­tzt der VfB spielt. „In der ersten Liga. Das ist der Plan“, sagt McKeen.

Rund 9000 Euro für gute Zwecke bringt die Auktion am Stuttgarte­r Flughafen ein, unter anderem profitiert das Frauenhaus Filderstad­t. Probleme, Kortes Koffer zu öffnen, hat McKeen nicht, zuvor hat schon der Zoll einen Blick hineingewo­rfen. Korte indes freut sich riesig auf die Rückkehr seiner Habseligke­iten. „Das ist ein vorgezogen­es Weihnachts­geschenk.“

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Foto: Martin McKeen Christian Kortes lange verscholle­ner Koffer.
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Christian Korte

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