Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Witwer in Paris
Die Folgen des Bataclan-Attentats
13. November 2015, 22.37 Uhr, Paris: Antoine, 34, bringt seinen 17 Monate alten Sohn Melvil ins Bett. Plötzlich klingelt das Handy. Eine SMS von einem Freund: „Seid ihr in Sicherheit?“Antoine ist irritiert, schaltet den Fernseher ein: „Attentat im Bataclan.“– „Helene ist dort.“Seine Frau, Mutter von Melvil. „Ich spüre einen elektrischen Schlag durch meinen ganzen Körper. Ich greife nach dem Telefon, muss sie anrufen, mit ihr sprechen, ihre Stimme hören. Klingeln. Mailbox. Ich lege auf, versuche es noch einmal – einmal, zweimal, hundertmal.“
15. November, 17 Uhr: Antoine sagt seinem kleinen Sohn, dass seine Mutter tot ist. „Er ist kurz davor zusammenzubrechen – ich nehme das Handy und spiele ihm die Lieder vor, die er immer mit ihr hörte …“
16. November, 9.30 Uhr: Antoine muss ins gerichtsmedizinische Institut, zur Leiche seiner Frau. „Auch wenn ihr Körper kalt ist, ihr Kuss nach immer noch warmem Blut schmeckt, muss ich sie umarmen.“Abends setzt er sich an seinen Schreibtisch, schreibt einen offenen Brief an die Mörder seiner Frau und postet ihn auf Facebook. Darin steht unter anderem: „Am Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht.“Der Brief wird weltweit weitergeleitet, über 200000 Mal geteilt – die Grundlage seines Buchs, das nun in 18 Sprachen übersetzt vorliegt.
William Harrison-Zehelein