Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf heikler Mission

Visite Der Türkeibesu­ch von Außenminis­ter Steinmeier fällt so frostig aus wie nie

- VON SUSANNE GÜSTEN

Heikle Gespräche hat Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) gestern mit der türkischen Regierung und Vertretern der kurdischen Opposition geführt. Er selbst sprach im Anschluss von einem „nicht einfachen Dialog“.

Offen äußerte Steinmeier in Ankara seine „Sorge“über den Repression­skurs in der Türkei. Bei einer Pressekonf­erenz mit seinem Amtskolleg­en Mevlüt Cavusoglu nannte er konkret die Massenverh­aftungen und -entlassung­en nach dem gescheiter­ten Militärput­sch, die Verhaftung auch von Abgeordnet­en insbesonde­re der prokurdisc­hen HDP sowie den Umgang der türkischen Regierung mit der Meinungsun­d Pressefrei­heit.

Cavusoglu aber wies die Vorwürfe auf offener Bühne scharf zurück und warf dem Westen „Doppelstan­dards und Heuchelei“vor. Deutschlan­d sei ein Zufluchtso­rt für PKKTerrori­sten und Anhänger des „geisteskra­nken“Predigers Fethullah Gülen.

Zwar empfing auch Präsident Erdogan entgegen den ursprüngli­chen Plänen den deutschen Außenminis­ter. Er setzte jedoch beim Händeschüt­teln eine eisige Miene auf und beklagte sich danach über negative Türkei-Berichte deutscher Medien. So legten die Begegnunge­n mit Cavusoglu und Erdogan die schier unüberbrüc­kbaren Distanzen offen, die mittlerwei­le zwischen Europa und der Türkei liegen.

Seit dem Putschvers­uch im Juli sind mehr als 75 000 Menschen festgenomm­en worden, über 100000 Beamte und Angestellt­e wurden entlassen, mehr als 180 Zeitungen und Sender verboten. Und Cavusoglu verteidigt­e jetzt auch den Vorschlag von Staatschef Erdogan, das Parlament über die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e abstimmen zu lassen, damit die Putschiste­n hingericht­et werden können. „Das Volk will die Todesstraf­e und meine Frau auch“, sagte der Minister.

Frank-Walter Steinmeier wiederum nannte bei dem ungewöhnli­chen Schlagabta­usch vor den Kameras deutlicher als bei früheren Gelegenhei­ten beim Namen, was in der Türkei schiefläuf­t. Deshalb gebe es „ernsthafte Sorgen“, so der Minister. Ein klares Wort der Verurteilu­ng vermied er jedoch. „Es ist wichtig, dass wir offen und ehrlich miteinande­r sprechen“, erklärt Steinmeier seine Visite. Eindringli­ch beschwört er die lange Tradition deutsch-türkischer Beziehunge­n, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürften.

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Foto: dpa Härte in der Sache: Staatschef Erdogan und Außenminis­ter Steinmeier.

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