Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Auf heikler Mission
Visite Der Türkeibesuch von Außenminister Steinmeier fällt so frostig aus wie nie
Heikle Gespräche hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gestern mit der türkischen Regierung und Vertretern der kurdischen Opposition geführt. Er selbst sprach im Anschluss von einem „nicht einfachen Dialog“.
Offen äußerte Steinmeier in Ankara seine „Sorge“über den Repressionskurs in der Türkei. Bei einer Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu nannte er konkret die Massenverhaftungen und -entlassungen nach dem gescheiterten Militärputsch, die Verhaftung auch von Abgeordneten insbesondere der prokurdischen HDP sowie den Umgang der türkischen Regierung mit der Meinungsund Pressefreiheit.
Cavusoglu aber wies die Vorwürfe auf offener Bühne scharf zurück und warf dem Westen „Doppelstandards und Heuchelei“vor. Deutschland sei ein Zufluchtsort für PKKTerroristen und Anhänger des „geisteskranken“Predigers Fethullah Gülen.
Zwar empfing auch Präsident Erdogan entgegen den ursprünglichen Plänen den deutschen Außenminister. Er setzte jedoch beim Händeschütteln eine eisige Miene auf und beklagte sich danach über negative Türkei-Berichte deutscher Medien. So legten die Begegnungen mit Cavusoglu und Erdogan die schier unüberbrückbaren Distanzen offen, die mittlerweile zwischen Europa und der Türkei liegen.
Seit dem Putschversuch im Juli sind mehr als 75 000 Menschen festgenommen worden, über 100000 Beamte und Angestellte wurden entlassen, mehr als 180 Zeitungen und Sender verboten. Und Cavusoglu verteidigte jetzt auch den Vorschlag von Staatschef Erdogan, das Parlament über die Wiedereinführung der Todesstrafe abstimmen zu lassen, damit die Putschisten hingerichtet werden können. „Das Volk will die Todesstrafe und meine Frau auch“, sagte der Minister.
Frank-Walter Steinmeier wiederum nannte bei dem ungewöhnlichen Schlagabtausch vor den Kameras deutlicher als bei früheren Gelegenheiten beim Namen, was in der Türkei schiefläuft. Deshalb gebe es „ernsthafte Sorgen“, so der Minister. Ein klares Wort der Verurteilung vermied er jedoch. „Es ist wichtig, dass wir offen und ehrlich miteinander sprechen“, erklärt Steinmeier seine Visite. Eindringlich beschwört er die lange Tradition deutsch-türkischer Beziehungen, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürften.