Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gabriel oder Schulz?
Regierung Das Personenkarussell dreht sich. Nachdem die Koalition einen Präsidenten gefunden hat, braucht sie einen neuen Außenminister
In Berlin dreht sich das Personenkarussell. Die Präsidenten-Frage, die die Spitzen der Regierungsparteien seit Monaten beschäftigte, ist geklärt – Außenminister FrankWalter Steinmeier soll neues Staatsoberhaupt werden. Doch nun stellt sich den Koalitionären mindestens ebenso dringend die Frage: Wer folgt dem ebenso erfahrenen wie beliebten Sozialdemokraten nach dessen Wahl zum Staatsoberhaupt am 12. Februar kommenden Jahres im Amt nach und wird für die Zeit bis zur Bundestagswahl im September neuer Außenminister?
Fest steht bislang nur eines: Dem Sozialdemokraten Steinmeier wird ein Sozialdemokrat folgen. Die Forderung des außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, das Amt müsse an die Union fallen, gilt in Berlin als Einzelmeinung ohne Bedeutung. Denn in den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD wurde auch die Ressortverteilung verbindlich beschlossen. Das Auswärtige Amt fiel dabei, wie es seit Jahrzehnten Tradition ist, an den kleineren Koalitionspartner, die SPD. „Das Vorschlagsrecht für die jeweiligen Ämter liegt bei den verantwortlichen Parteien“, heißt es dazu kurz und bündig auf Seite 185 des Koalitionsvertrags.
Das heißt, über die Nachfolge Steinmeiers an der Spitze des Außenministeriums entscheidet einzig und allein die SPD, Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer haben weder ein Vorschlags- noch ein Mitspracherecht, sondern müssen die Personalentscheidung des Koalitionspartners akzeptieren. Auf die Einhaltung dieses Grundsatzes pocht SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Es steht so im Koalitionsvertrag und wir werden ihn deshalb auch nicht ändern.“
Völlig offen ist allerdings noch, wer in das Ministerbüro im Auswärtigen Amt einzieht. In Berlin gelten zwei Szenarien als am wahrscheinlichsten.
Szenario eins: SPD-Chef Sigmar Gabriel kürt sich selber zum neuen Außenminister und verlässt das Wirtschaftsministerium. Sein Kalkül: Als Kanzlerkandidat der SPD und Herausforderer von Regierungschefin Angela Merkel kann er sich vor der Wahl mit dem Renommee des Amtes schmücken, das seinen Inhabern schon immer viel Ansehen und Popularität verliehen hat. Als oberster Diplomat des Landes, der hoch über den Niederungen der sonstigen Regierungspolitik steht, hat er die Möglichkeit, sich bei seinen Treffen mit den Mächtigen und Wichtigen dieser Welt medienwirksam in Szene zu setzen und der Kanzlerin Paroli bieten zu können. Beobachter bezweifeln allerdings, dass Gabriel in den wenigen Monaten bis zur Wahl durch den Ressortwechsel wirklich sein Image verbessern kann. Weiterer Nachteil: Die SPD müsste für den Rest der Legislaturperiode noch einen neuen Wirtschaftsminister finden.
Das zweite Szenario sieht so aus: Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, der Mitte Januar aus seinem Amt ausscheiden muss, weil dann nach einer Absprache die christdemokratische EVP-Fraktion den Präsidenten stellen darf, verlässt Brüssel und wechselt nach Berlin. Der überzeugte Europäer Schulz, der mit Gabriel eng befreundet ist und sich stark auf der internationalen Bühne engagiert hat, ist bestens vernetzt und spricht mehrere Sprachen fließend. Er bräuchte nicht lange eingearbeitet werden, sondern könnte nahtlos die Amtsgeschäfte übernehmen und auf diese Weise das außenpolitische Profil der SPD stärken.
Fraglich allerdings, ob sich Schulz auf dieses Wagnis einlässt, da er aus dem Europaparlament ausscheiden müsste und auch kein Bundestagsmandat hätte. Schulz selber hält sich bedeckt und lässt streuen, dass er seinen Platz in Brüssel sehe, nicht in Berlin. Andere Sozialdemokraten hingegen entwerfen bereits ein anderes Szenario: Komme es im Herbst kommenden Jahres zu einer Fortsetzung der Großen Koalition mit der Union, könne Schulz als Außenminister im Amt bleiben und in vier Jahren, 2021, Kanzlerkandidat der SPD werden.