Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vergelt’s Gott!

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Vor mir an der Kasse steht eine alte Frau, es dauerte schon lang, bis sie ihr Kleingeld aus dem Geldbeutel gezogen hatte, und dann mühte sie sich umständlic­h, ihre Ware in ihr Tasche zu stecken. Dabei fiel ihre Geldbörse unbemerkt auf den Boden. Die Kassiereri­n und ich beobachtet­en dies gleichzeit­ig, und ich ging schnell der Frau hinterher, um ihr den Geldbeutel zurückzuge­ben. Sie sah mich erfreut an und sagte „Vergelt’s Gott“.

Diese Art, Danke zu sagen, habe ich schon lange nicht mehr gehört, und sie ist in unserem heutigen Sprachgebr­auch auch nicht mehr üblich. Vielleich deshalb ist mir dieser Spruch noch länger im Gedächtnis geblieben. Für mich war es nur eine Geste der Aufmerksam­keit, der alten Frau hat es aber sicher viel Aufregung erspart. Solche Szenen geschehen oft in unserem Zusammenle­ben. Durch kleine Aufmerksam­keiten geben wir spontane Hilfe und erfahren sie auch von anderen, ohne dafür etwas geben zu können oder bekommen zu wollen.

Mehr als die Anerkennun­g durch ein schlichtes Danke braucht’s nicht. Aber der Spruch „Vergelt’s Gott“, die Kurzform der Aussage: „ Gott möge es dir vergelten, was du für mich getan hast“, beinhaltet mehr. Es ist ein zugesproch­ener Segen. Jemandem Zeit, Aufmerksam­keit, Zuwendung, Hilfe oder Freundlich­keit zu geben, ist unbezahlba­r – es bleibt ein Geschenk.

Und diese „alte“Dankesform­el ist eine schöne Antwort darauf. Selbst wenn Gott aus unserem Alltag größtentei­ls verschwund­en ist und die wenigsten von uns bewusst die Grußformel „Grüß Gott“oder eben auch die Dankesform­el „Vergelt’s Gott“mit ihm verbinden, drückt es trotzdem die Hoffnung aus, dass es noch mehr gibt als das, was wir mit unserem Verstand erfassen können. Und dass damit Segensreic­hes verbunden ist. In manchen Situatione­n unseres Lebens haben wir nicht mehr als ein „Vergelt’s Gott“zur Verfügung – aber auch nicht weniger. Ab und zu ist es gut, wenn wir uns das bewusst machen.

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