Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Am Boden der Tatsachen
Experiment Was passiert, wenn sich Basketballer der BG Leitershofen in Rollstühle setzen? Eine Begegnung beim SV Reha
Egal, wie Julian Breuer sich abmüht, er kommt einfach nicht vom Boden auf. Instinktiv will er seine Beine benutzen, doch die sind mit einem Gurt fest an den Rollstuhl gebunden. Mit etwas Hilfe kämpft er sich schließlich doch wieder hoch, die Räder des Rollstuhls berühren wieder den Boden der Anton-BezlerHalle in Göggingen. Breuer trainiert dort zusammen mit den Rollstuhlbasketballern des Viertligisten SV Reha. Eigentlich spielt er „Fußgänger-Basketball“, wie es die Rollstuhlbasketballer nennen. Doch an diesem Tag lernen der 20-Jährige und seine Teamkameraden Raphael Braun, Emanuel Richter und Josh Hart von der BG Leitershofen, was es heißt, im Sitzen zu spielen.
Kaum sitzen die vier in den Rollstühlen, schickt sie Coach Thomas Paa schon zum Körbewerfen. Seit dieser Saison trainiert der 46-Jährige die „Auxburg Basketz“, wie sich die Basketballer des SV Reha nennen. Er selbst spielte lange in der Bundesliga. Zufrieden beobachtet Paa, wie die Gastspieler Ball um Ball in den Korb legen. „Werfen können sie, das ist klar. Aber im Spiel braucht man die Hände auch zum Antreiben, Lenken, Dribbeln.“Und tatsächlich: Wenn es schnell geht, haben die Leitershofer oft das Nachsehen. Nach einem Rebound geht es kaum weniger zügig zum gegnerischen Korb als im „Fußgänger-Basketball“. „Auf geht’s, gib Gas“, ruft „Basketz“-Spielerin Simona Ladzik Julian Breuer beim Angriff zu. Sein Wurfversuch aus der Distanz geht aber daneben. „Es ist einfach eine andere Perspektive“, sagt Breuer. Raphael Braun pflichtet ihm bei: „Außerdem muss die ganze Kraft aus dem Oberkörper kommen. Deshalb tun mir jetzt auch ganz schön die Schultern weh.“
Einen Vorteil haben die Männer aus Leitershofen aber trotzdem: Sie überragen die meisten Spieler der „Basketz“um mindestens einen Kopf. Besonders der 1,96 große Josh Hart ist selbst im Sitzen noch größer als manch anderer im Stehen. „Klar spielt das auch bei uns eine Rolle“, sagt Trainer Thomas Paa. „Der Größte kann einfach den Ball über seinen Kopf halten und es kommt keiner ran.“
Nur Johannes Lüthy kann in Sachen Körpergröße mit den Regionalliga-Spielern mithalten. Der Student ist einer von mehreren nichtbehinderten Spielern bei den „Basketz“. „Bei einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Italien habe ich angefangen, mit Behinderten Sport zu machen. Am Anfang war es befremdlich, aber es macht richtig viel Spaß.“Den Rollstuhl bekommt Lüthy vom Verein gestellt. Die speziell für den Sport angefertigten Stühle kosten zwischen 5000 und 6000 Euro. Sie müssen einiges aushalten, denn Rammen ist durchaus erlaubt.
Die „Auxburg Basketz“tragen an diesem Wochenende ihre ersten Heimspiele in der Oberliga aus. Zu Gast in der Bezler-Halle sind die zweiten Mannschaften des RSV Salzburg (10 Uhr) und des RSKV Tübingen (14 Uhr). Zwei Spiele an einem Tag auszutragen sei einfach kostengünstiger, erklärt Thomas Paa. „Und Teams aus dem Ausland sind schon länger dabei. Das liegt daran, dass es dort nicht genug Mannschaften für eine eigene Liga gibt. Deshalb spielen auch Damen und Herren zusammen.“
Das wäre im „Fußgänger-Basketball“undenkbar. Die vier Leitershofer wollen gerne mit dem gesamten Team wiederkommen. „Ich habe Respekt vor diesem Sport bekommen. Und es macht großen Spaß“, sagt Raphael Braun hinterher. Dann geht es für die Schnupperspieler zum Training ihrer eigenen Mannschaft. Am Wochenende gehen sie gegen Jena auf Körbejagd. 1871 Augsburg – Schwabmünchen (Sa., 20 Uhr, Meierweg), TSV Friedberg III – TSV Bobingen (Sa., 20 Uhr)
TSV Friedberg – TSV Neusäß (Sa., 14 Uhr, bd. TSV-Halle), 1871 Augsburg – TSV Haunstetten III (Sa., 14 Uhr, Meierweg)
TSV Friedberg IV – Bäumenheim (Sa., 16 Uhr, TSV-Halle), TSV Göggingen II – Schwabmünchen II (Sa., 19.30 Uhr, Anton-Bezler-Halle) TSG Hochzoll II – TSG Thannhausen (Fr., 20.15 Uhr, bd. Wendelsteinstr.)
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