Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Tödliche Maisballen
Prozess Weil ein Bub auf einem Bauernhof im Allgäu „Star Wars“spielte, starben 30 Rinder. Vor Gericht einigten sich der betroffene Landwirt und die Familie jetzt auf einen Vergleich
Ein elfjähriges Kind spielt „Star Wars“auf einem Bauernhof im Westallgäu. Dabei sticht es mit einem Stab auf Siloballen ein. In der Fantasie des Buben sind die Behältnisse außerirdische Krieger. Die Maissilage in den Ballen verdirbt und wird später verfüttert. 30 Kühe sterben. Für den betroffenen Landwirt eine wirtschaftliche Katastrophe. Der Mann verklagt den Buben und seinen Vater und fordert 172 000 Euro Schadenersatz – vergeblich. Er legt Berufung ein. Nun landete das Verfahren vor dem Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Augsburg. Dort einigten sich die beiden Parteien gestern schließlich auf einen Vergleich.
Passiert ist der Vorfall bereits vor drei Jahren in Opfenbach im Landkreis Lindau. Die Familie des damals Elfjährigen aus dem Großraum Stuttgart hatte zum wiederholten Urlaub auf dem Hof des Milchbauern gemacht. Der minderjährige Angeklagte vertrieb sich dort unbeaufsichtigt die Zeit mit dem fiktiven Weltraum-Spiel und beschädigte dabei zwölf Siloballen. Er dachte, darin habe sich Heu befunden, sagte er später vor Gericht.
Das Problem: Durch die luftdichten Plastikverpackungen wird das Viehfutter in den Ballen haltbar gemacht. Nach Ansicht des Klägers gelangte durch die Löcher Luft ins Innere der Ballen und es bildeten sich Pilze und Schadstoffe. An diesen seien die Tiere schließlich erkrankt und teilweise verendet. Die Beschädigung sei für den Landwirt aber nicht erkennbar gewesen, weswegen er den Mais verfüttert habe.
Der Schaden, der ihm durch Tierarztkosten, den Kauf neuer Kühe, Milchgeldverluste und die Erstellung von Gutachten entstanden sei, wollte er ersetzt haben. Doch das Landgericht Kempten hatte die Klage des Mannes im Januar in erster Instanz abgewiesen.
Die Begründung: Das Kind habe zwar das Eigentum des Landwirts beschädigt. Weil dem Buben aber die Folgen seines Handelns nicht bewusst gewesen seien, könne ihm nicht einmal Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Das Gericht sah auch keine Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Vater. Er sei nicht verpflichtet gewesen, den Buben ständig zu beaufsichtigen.
Die Richter des Oberlandesgerichts teilen diese Auffassung jedoch nur bedingt. Zwar trifft den Vater auch ihrer Meinung nach keine Schuld. Der geständige Bub könne aber für den Schaden haftbar gemacht werden, erläuterte Richter Thomas Ermer. Denn dass er die Folien nicht hätte kaputt machen dürfen, habe der damals Elfjährige gewusst. „Und wer eine Verpackung bewusst beschädigt, ist auch verantwortlich für die FolgeschäMal den“, sagte der Richter. Auch wenn diese unvorhersehbar seien.
Doch Ermer nahm auch den Wind aus den Segeln des Geschädigten. „Bis zu einer erfolgreichen Klage ist es aber noch ein weiter Weg“, stellte der Richter klar. Denn nach Ansicht der Juristen sei noch gar nicht hinreichend geklärt, ob das Futter wirklich durch das Einwirken des Buben verdarb und der Schaden hätte bemerkt und verhindert werden können. Dafür seien erst mehrere Gutachten notwendig. Auch die Höhe der Schadensforderung hielt das Gericht für fragwürdig.
Um unter Umständen eine „zeitaufwendige und teure Beweisaufnahme“zu verhindern, schlug Richter Ermer den Parteien vor, über eine einvernehmliche Regelung nachzudenken. Schließlich einigten sich Kläger und Angeklagte auch auf einen Vergleich: Die Versicherung der Familie des Buben bezahlt dem Landwirt 50 000 Euro.