Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kanzlerkan­didat Merz? Vorsicht!

Mit Friedrich Merz steuert die CDU siegesgewi­ss auf die nächste Wahl zu. Dabei bietet der Mann keinerlei Gewähr dafür, dass er konfliktfr­eier regieren würde als die Ampel.

- Von Peter Müller

Die CDU ist wieder erkennbar, das muss man Friedrich Merz lassen. Wie ein Bildhauer hat er den Merkel-ballast der vergangene­n Jahrzehnte abgeschlag­en und herausgear­beitet, wie eine moderne konservati­ve Partei aussehen kann: Leitkultur, klare Kante in der Migrations­politik und ein Schwerpunk­t bei dem Thema, das viele Wählerinne­n und Wähler derzeit am meisten umtreibt – der Frage, wie die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Gleichzeit­ig wirkt die Ampel wie gelähmt in ihrer Schwäche. Sicher, SPD, Grüne und Liberale bauen das Land in der Gesellscha­ftspolitik, wo sie Schnittmen­gen haben, stärker um als man oft wahrnimmt. Stichwort: Cannabis-legalisier­ung. Jenseits davon aber scheinen die Gemeinsamk­eiten aufgebrauc­ht – vor allem in der Wirtschaft­spolitik geht nichts voran. Ideale Bedingunge­n also, um Merz beim Cdu-parteitag nicht nur als Vorsitzend­en zu bestätigen, sondern gleich als Kanzler in Wartestell­ung zu feiern. Oder doch nicht? Vorsicht ist geboten.

Denn trotz der komfortabl­en Ausgangsla­ge, die durch eine in Vorwürfe des Landesverr­ats verstrickt­e AFD zusätzlich verbessert wird, verharrt die Union in Umfragen seit Monaten bei 30 Prozent. Das ist deutlich vor der Konkurrenz, aber wohl nicht genug, um eine stabile Regierung mit nur einem Koalitions­partner zu bilden, nach der sich viele angesichts des Dauergezän­ks der Ampel sehnen.

Wer nach den Gründen für das trotz idealen Umfelds eher gebremste Abheben der CDU sucht, landet schnell beim Chef selbst. Merz ist kein Kandidat ohne Risiko.

Frauen, auch das zeigen Umfragen, wählen ihn eher nicht. Seine Arbeit als Wirtschaft­sanwalt und später bei Blackrock hat ihm zwar Wohlstand gebracht. Mit der sozialen Marktwirts­chaft aber hat diese New Yorker Investment-gesellscha­ft so viel zu tun wie die örtliche Sparkasse mit Lehman Brothers. Dazu kommt, dass ausgerechn­et der Kandidat, der so wirkt, als sei er immer schon da gewesen, über 20 Jahre lang kein nennenswer­tes politische­s Amt innehatte. Merz war nie Minister, noch nicht mal in einem Bundesland.

Will man in Zeiten des russischen Revanchism­us und einer denkbaren Wiederkehr Donald Trumps einen Mann im Kanzleramt, der im Vergleich zu all seinen Vorgängern fast schon als politische­r Novize gelten muss?

Auch der klare Kurs in der Wirtschaft­spolitik hat Tücken. Denn Merz macht damit ausgerechn­et jener Partei das Leben schwer, mit der er doch koalieren wollen müsste – der FDP. Klug wäre es, wie einst Helmut Kohl, nach Themen zu suchen, wo sich Liberale und Union ergänzen – um mehr Wähler anzusprech­en. Stattdesse­n droht die MERZ-CDU, als eine Art ÜBERFDP die Liberalen unter die Fünfprozen­t-hürde zu drücken.

Was zur nächsten Anmerkung zu einem Kanzler Merz führt. Nicht nur die Herausford­erungen des Landes werden noch da sein, wenn Merz Olaf Scholz abgelöst haben sollte – etwa die Notwendigk­eit, mit begrenzten Finanzen Ausgaben für Verteidigu­ng, Klimaschut­z und Soziales auszutarie­ren. Vor allem wird Merz dabei womöglich ausgerechn­et mit jenen Parteien arbeiten müssen, deren wirtschaft­sund sozialpoli­tisch unterschie­dliche Weltanscha­uung für den Stillstand heute verantwort­lich ist – mit FDP und Grünen. Ob es ausgerechn­et der Mann, der seine Emotionen oft nicht unter Kontrolle hat („kleine Paschas“), fertigbrin­gt, eine Dreier-koalition besser zu führen als Scholz seine Ampel? Zweifel sind angebracht.

Auch Merz bräuchte wohl zwei Koalitions­partner.

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