Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Schauspielstars stimmen auf Weihnachten ein
Samuel Finzi und Herbert Knaup zeigen Charles Dickens.
Wie oft schon wurde sie erzählt, verfilmt, auf die Bühne gebracht: die berühmte Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens mit dem Geizkragen Ebenezer Scrooge, der am Vorabend des Weihnachtsfestes erst wieder lernen muss, barmherziger, mitfühlender und menschlicher zu werden. Diese Weihnachtsgeschichte, erstmals 1843 veröffentlicht, wurde jetzt mit den großartigen Schauspielern Samuel Finzi und Herbert Knaup, begleitet von einem Streichquintett, in der Gersthofer Stadthalle auf die Bühne gebracht.
Angelegt war dieses Bühnenmärchen, das Martin Mühleis gemeinsam mit dem Komponisten Libor Síma geschaffen hat, als ein Ineinander und Miteinander von Musik, Rezitation und Schauspiel. Mit Samuel Finzi und Herbert Knaup war das Stück bestens besetzt. Da war Herbert Knaup, der, sobald er den Ebenezer Scrooge sprach und spielte, nur noch als dieser zu erkennen war – als der unfrohe, rastlose Geschäftsmann, der, auch wenn alles um ihn herum
Samuel Finzi (links) und Herbert Knaup präsentierten ihre Theaterfassung von Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“.
Weihnachten feiert, sich nicht anrühren lässt; der in seiner Bitterkeit selbst den anderen, etwa seinem Schreiber Bob Cratchit, das Fest nicht gönnt; der nur noch das Ich kennt. Den aber in der Nacht der Schatten seines verstorbenen
Kompagnons Jacob Marley heimsucht, „in Ketten, die er ein Leben lang selbst geschmiedet hat“, um ihm drei Geister anzukündigen, die ihn in dieser Nacht heimsuchen und lehren werden.
Herbert Knaup als Scrooge zeichnete glaubwürdig den ihm von den drei „Geistern der Weihnacht“– dem der Vergangenheit, dem der Gegenwart, dem der Zukunft – gewiesenen Weg der inneren Wandlung nach. Das Publikum erlebte ihn in seiner ganzen Einsamkeit, in seinem Schaudern vor den Geistern, in seinem Erschrecken über sich selbst, in seinem Erkennen, schließlich in seiner tief erlebten, wieder gewonnenen Menschlichkeit und Fröhlichkeit.
Ihm gegenüber gestellt war Samuel Finzi, der all die anderen Rollen rezitierte und spielte, jede anders, jede in ihrem Charakter so großartig dargestellt, dass man meinen konnte, hier agieren gleich mehrere Schauspieler. Samuel Finzi war der Schatten des verstorbenen Marley, er war der Schreiber, seine Familie und seine Kinder, er war der Neffe, der ehemalige Lehrherr – und vor allem: Finzi stellte jeden der drei Geister der Weihnacht
dar – zum Erschauern schön. Bei aller Ernsthaftigkeit des Erzählten leuchten auch immer wieder, dezent eingestreut, witzige Momente auf.
Wesentlich bei dieser Darbietung war die eigens dafür komponierte Musik, die – wie im Film – das Geschehen unterstrich und vertiefte. Klangmalerische Elemente ließen Türen knarzen und quietschen, es läuteten die Glocken, es erhob sich ein Seufzen, ein Zittern, ein Klagen. Dann wieder fröhliche Klänge zum festlichen Tanz, die aus der Vergangenheit heraufklangen, die jedoch in der Gegenwart immer schräger, immer schriller wurden.
Weihnachtsgeschichten haben es an sich, dass sie gut ausgehen. Dass das Fest die Menschen verändert. Wie bekannt, ist das bei Dickens’ Ebenezer Scrooge geschehen. Am Schluss begegnet er uns, durch die „Geister der Weihnacht“zur Erkenntnis gebracht, als fröhlicher, mitfühlender Mensch, der wie alle anderen in seiner Umgebung in den Ruf einstimmt „Fröhliche Weihnachten!“So fröhlich gestimmt war auch der Applaus an diesem Abend.