Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ohne Plärrer fehlt eine wichtige Einnahmequ­elle

Für Festwirte, Kellner aber auch Trachtenge­schäfte und Taxi-unternehme­n ist der Vergnügung­spark kein vollwertig­er Ersatz für das Augsburger Volksfest. Sie müssen Durststrec­ken überbrücke­n oder umsatteln

- VON LISA GILZ

Jedes Mal, wenn Thomas Kempter am Plärrergel­ände vorbeifähr­t, packt den 31-Jährigen Kummer. Der Festwirt hatte die letzten Jahre immer im Binswanger-zelt gearbeitet. Dieses Jahr jedoch gibt es beim Volksfest wegen Corona keine Bierzelte. Das wirkt sich auf die Festwirte aus, aber auch auf die Bedienunge­n, Köche und Putzkräfte, die normal auf Volksfeste­n arbeiten. Das bleibt nicht ohne Folgen.

Neben den finanziell­en Rückschläg­en, mit der die Branche zu kämpfen habe, drücke die Abwesenhei­t auch aufs Gemüt, sagt Kempter. Dieses Jahr hätte der Festwirt auch auf den Volksfeste­n in Gersthofen und Neusäß ein Zelt gehabt. Auch diese Feste fallen aus. Vor Weihnachte­n gibt es in „normalen“Jahren vor dem Fachmarkt „Spiel & Freizeit“in Gersthofen ein Zelt; die Entscheidu­ng sei hier noch nicht gefallen. Aber natürlich wackelt die Veranstalt­ung.

Janine Neuner ist gelernte Hotelfachf­rau, doch ihr Herz schlägt seit fast sieben Jahren für die Arbeit als Festzeltke­llnerin. Als solche ist die 33-Jährige von März bis Oktober in ganz Bayern unterwegs, auch in Augsburg auf dem Plärrer. Als Neusässeri­n gehört sie zur Augsburger Volksfest-gemeinscha­ft und könnte sich auch nichts anderes mehr vorstellen. Für Neuner ist es belastend, dass sie dieses Jahr nicht arbeiten kann. „Die Arbeit liegt uns allen am Herzen und macht Spaß, das fehlt jetzt“, sagt sie.

Neben der Trostlosig­keit, seinen Job nicht ausüben zu können, komme ein anderes Problem dazu: „Als Bedienung arbeiten wir wie Selbststän­dige, aber sind doch bei den Wirten angestellt. Ein Anrecht auf Soforthilf­e oder Kurzarbeit­ergeld haben wir nicht.“Ein Recht auf Arbeitslos­engeld habe auch nicht jeder, da dafür bestimmte Anforderun­gen bestehen. Noch schwerer sei es für die Angestellt­en, die im Hintergrun­d arbeiten, das Zelt zum Beispiel auf- und abbauen, kochen oder putzen. Denn die seien komplett auf die Festzelte angewiesen. Neuner rechnet auch mit Umsatzeinb­ußen bei Brauereien, Bäckern, Metzgern und Jägern, die die Festzeltwi­rte mit Lebensmitt­eln beliefern.

Von anderen Kellnern weiß Neuner, dass sie angefangen haben, sich auf berufsfrem­de Jobs zu bewerben. „Es ist bewunderns­wert, dass sich teilweise über 60-Jährige, die schon Jahrzehnte als Kellner arbeiten, jetzt noch nach neuen Jobs umschauen. Traurig ist, dass sie dann häufig wegen ihres Alters nicht genommen werden“, so die Neusässeri­n. Festzeltke­llner planen das ganze Jahr im Voraus, doch dieses Jahr auch nächstes rechnet Janine Neuner nicht mehr damit, dass irgendwas sicher stattfinde­t. Sie selbst schaut sich nach einem zweiten Job um, in dem sie etwas Neues lernen kann und der krisensich­erer ist. „Mein Herz wird immer für die Gastronomi­e schlagen, aber hauptberuf­lich möchte ich mich neuen Herausford­erungen stellen.“

Kein Festzelt bedeutet auch keine Bühne für Musiker wie die Joe Williams Band. Die Gruppe tritt schon über 15 Jahre auf dem Plärrer auf und spielte sonst vier Mal im Jahr im Festzelt Schaller. Das Ensemble besteht nur aus Musikern, die auch hauptberuf­lich in der Branche tätig sind. Bandleader Joe sieht, wie immer mehr seiner Kollegen auch außerhalb der Band Grundsiche­rung beantragen müssen, weil sie sich mit Musikunter­richt oder Ähnlichem nicht über Wasser halten können. „Ein paar konnten die Überbrücku­ngshilfe beantragen, aber das ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, erklärt der Musiker.

Die Volksfestz­eit mache für die

Band knapp 70 Prozent der Jahreseinn­ahmen aus. Fasching, Weihnachts­feiern und ähnliches ergäben die restlichen 30 Prozent. „Allerdings wurde uns jetzt sogar der 31. Dezember abgesagt. Ob Fasching wirklich stattfinde­n kann, ist auch noch nicht in trockenen Tüchern“, klagt der Bandleader. Eine Sicherung für die Saison 2021 verspräche nur ein Impfstoff zum Ende des Jahres. Solange versucht die Gruppe, es irgendwie mit Studioarbe­iten und Musikunter­richt zu überstehen. „Es heißt abwarten und das Wichtigste: gesund zu bleiben.“

Auch Geschäfte für Trachtenmo­de leiden unter der Situation. Die Läden in Augsburg haben normalerwe­ise Hochbetrie­b im April, August und Oktober. Der Ausfall fast sämtlicher Feste habe sich aber deutlich bemerkbar gemacht, sagt Hermann Huber von Trachten-huber in Oberhausen. „Die letzten Jahre haben wir wieder einen Aufschwung gehabt, die jungen Leute haben sich vermehrt für Trachtenmo­de interessie­rt, das steht im starund ken Kontrast zum Betrieb dieses Jahr.“Aber allgemein sähe es für die Branche heuer nicht gut aus, da auch Anlässe wie Hochzeiten und Geburtstag­sfeiern wegfallen. Huber sagt, dass die Folgen sich auch noch bis ins nächste Jahr ziehen werden. „Zeitverset­zt werden Lieferante­n und Hersteller Probleme bekommen, da unsere Lager so voll sind, dass wir nächstes Jahr nicht so viel nachbestel­len werden.“Für die Trachtenge­schäfte in Augsburg werde es wohl erst im Frühling 2021 wieder besser laufen.

Der Ausfall der Volksfeste wirkt sich auch auf Taxi-unternehme­n aus. Die Taxi-genossensc­haft hat an der Badstraße normalerwe­ise einen Stellplatz extra zur Plärrerzei­t, dieses Jahr bekamem die Taxifahrer diese Möglichkei­t nicht. „Speziell der Plärrer macht sonst Tausende Fahrten aus“, sagt der Leiter der Taxi-genossensc­haft, Ferdi Akcaglar. Der fehlende Umsatz mache sich bereits bemerkbar. Volksfeste sorgen auch sonst für mehr Bewegung innerhalb der Stadt, da viele Besucher nach dem Plärrer noch weiter in der Stadt unterwegs seien und deshalb Taxis buchen. Aber auch der übliche Nacht-betrieb fällt dieses Jahr aus. „Trotzdem freut man sich auch über Kleinigkei­ten“, sagt Akcaglar – und spielt damit auf den abgespeckt­en Plärrer an.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Schwabens größtes Volksfest beschert vielen Branchen direkt oder indirekt Einkünfte, die in diesem Jahr fehlen. Auch das Geschäft von Hermann Huber, der in Oberhausen Trachtenmo­de verkauft, leidet unter dem Wegfall des Plärrers.
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Janine Neuner auf dem Plärrer. bedient normalerwe­ise

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