Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn Journalisten ihre Kollegen kontrollieren
Selbstkritik Medien gelten in Deutschland als „vierte Gewalt“. Sie kontrollieren die drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive, Judikative – also Gesetzgeber, das ist das Parlament, ausführende Gewalt, das sind Regierung und Verwaltung, sowie die Rechtsprechung. Wer aber kontrolliert die Medien?
Medienjournalisten! Aber nicht nur: auch die Selbstkontrollgremien der Medien oder die Wissenschaft. Gesetzgeber und Gesetze setzen den Rahmen, ansonsten haben Medien viele Freiheiten, garantiert von der Pressefreiheit. Was geschieht, wenn der Staat (mehr oder minder) direkt auf Medien zugreifen kann, sieht man in der Türkei, Ungarn oder Polen. Nun werden Sie fragen: Und wer kontrolliert die Medienjournalisten? Andere (Medien-)journalisten! Medienjournalismus ist insofern auch eine Art fortwährendes Selbstgespräch der Branche. Fatal wäre es, wenn es aus Eigenlob bestünde, wenn beim Blick in den Spiegel die Erkenntnis lautete: „Schaust du wieder gut aus heute!“Wie Medien über sich berichten sollten, wurde zuletzt bei der Feier zum 70. Jubiläum des Fachdienstes
diskutiert.
Dabei riet der Medienbischof der Evangelischen Kir
epd medien
che in Deutschland, Volker Jung, zur kritischen Selbstreflexion. „Es gibt schon einen sehr starken Trend zur Skandalisierung, Personalisierung, Tribunalisierung“, sagte der Theologe – auch er einer, der die Kontrolleure kontrolliert.
Selbstreflexion und Selbstkritik zeigten die anwesenden Kollegen bei der Veranstaltung. Das Spiegelbild, das sie erkannten, zeigte sie und ihre Branche also ungeschminkt. Und weil ich finde, dass mancher Satz aus dem Festvortrag des Kollegen Georg Masnicht colo, Leiter des Rechercheverbunds von und
nicht so schnell wieder vergessen werden sollte, hier Auszüge:
● „In seinen guten Momenten ist der Journalismus eben dies: Er informiert, er missioniert nicht. Man ist nach dem Lesen, dem Zuhören, dem Zuschauen klüger. Und nicht nur erregter.“
● Ich komme „zu dem Ergebnis, dass wir nicht genügend Medienjournalismus haben und dass der existierende bisweilen Großartiges leistet, aber zu oft auch tut, was man auch sonst in der Branche beobachten kann: Er interessiert sich für Personalien und weniger für das System, er jagt am Morgen Dingen hinterher, die er am Abend selber
NDR, WDR Zeitung,
Süddeutscher
mehr interessant findet. Er macht Kleines groß und lässt Großes liegen. Manchmal ist der Medienjournalismus dem atemlosen politischen Journalismus in Berlin nicht unähnlich. Er lebt in seiner eigenen, höchst reizbaren Welt.“
● „Sie (die Medienjournalisten) müssen jene Eigenschaften haben, ohne die es in unserem Beruf nicht geht: Fairness, ein Gespür für Ungerechtigkeit, Neugierde, Gründlichkeit und eine Portion Demut. (...) Sie dürfen gern eine Haltung haben. Aber noch wichtiger ist eine Ahnung.“
Empfehlenswert ist auch das Sonderheft „70 Jahre epd medien“, das man kostenlos unter epd.de herunterladen kann.