Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Abschied von Maler Max Kaminski

Der Künstler Max Kaminski arbeitete wie ein Berserker mit ostpreußis­cher Disziplin. Aus seinen Bildern spricht ein Tragiker. Nun ist er im Alter von 80 Jahren gestorben

- VON HANS KREBS

Es war kein gutes Omen, dass die beiden Augsburger Ausstellun­gen zu Ehren des 80-jährigen Max Kaminski im April und Juni 2018 (Glaspalast und Ecke Galerie) ohne den Geehrten eröffnet wurden. Und es war kein gutes Omen, dass auf beiden Einladungs­karten eine matt herabbrenn­ende Kerze zu sehen war – ein Hauptmotiv des Malers als Sinnbild für das unabwendba­re Erlöschen menschlich­en Daseins. Nun ist das Dasein Kaminskis im Kampf gegen eine tückische Erkrankung erloschen, nachdem seine ungeheure Lebens- und Schaffensk­raft schon seit dem Tod seiner Frau Marianne 2013 gebrochen war.

Dieser Verfall eines Mannes, der gerne die Freuden der Geselligke­it und ebenso die schöpferis­che Einsamkeit des Ateliers gesucht hat, nahm sich wahrhaft tragisch aus. Das Ende eines Tragikers – denn als ein solcher spricht er zumal in seinen späteren Leinwand- und Papierbild­ern. „Male auch lustige Bilder, das mögen und kaufen die Leute doch lieber“, soll Marianne Kaminski ihrem Mann einmal geraten haben. Obwohl er sie gewöhnlich als wahre Instanz schätzte, konnte er nicht aus seiner Haut.

„Das Thema von Kaminskis Malerei ist eine zerbrochen­e Welt, von der Schönheit eines kaputten Spielzeugs.“So hat es Fabrice Hergott, ehemaliger Generaldir­ektor der Straßburge­r Museen, in seiner umfänglich­en Kaminski-abhandlung von 2003 auf den Punkt gebracht. Ja, das kaputte Spielzeug, die beschädigt­e Kindheit, als Kaminski 1943 mit seinen Eltern und den beiden jüngeren Brüdern seine Geburtssta­dt Königsberg (heute Kaliningra­d) verlassen musste, um vor der anrollende­n Front westwärts zu fliehen und dabei Schrecklic­hes wie den Luftangrif­f auf einen Flüchtling­szug erlebte. Es hat den Anschein, dass Kaminskis künstleris­ches Schaffen auch das Abarbeiten eines Kindheitst­raumas darstellt.

Verlust und Vergänglic­hkeit, Verheerung und Tod, verborgene­s Unheil in Landschaft und Garten, dunkles Aufflammen der Ölfarben, selbst die provenzali­sche Sonne diffus. Kurzum: Es herrscht eine dämonische Grundstimm­ung in dieser expressive­n, symbolträc­htigen, surrealen Malerei des Gegenständ­lichen. Immer gegenständ­lich, obwohl der Oldenburge­r Abiturient Kaminski doch Meistersch­üler des Informel-vertreters Hann Trier (1915–1999) an der Berliner Hochschule der Künste wurde. Möglicherw­eise hat ihn die Zeit, die er mit seinem Schul- und Studienfre­und Gerd van Dülmen von 1960 bis 1962 mit aufregend gegenständ­lichen Abenteuern in Mittel- und Südamerika verbrachte und dabei seinen Taufnamen Gerd für Max ablegte, immunisier­t gegen das damals fast verpflicht­ende Informel. Das hat er gemein mit seinen alten Freunden Lüpertz, Immendorff, Baselitz – mittlerwei­le allesamt zeitgenöss­ische Klassiker.

Die Leiter nach oben kennzeichn­en Stipendien für Paris und (als Villa-romana-preisträge­r 1971) für Florenz, Teilnahme an der „documenta 6“in Kassel (1977), Ernennung zum Professor an der Staatliche­n Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe (1980), Schaffensp­hasen in Marseille (seit 1992), München/ödenpullac­h (seit 1997), Mexiko-stadt (2000/2001).

All die Jahre verbunden mit zig Einzelauss­tellungen in (nach dem Alphabet) Berlin, Buenos Aires, Chicago, Florenz, Madrid, Mexikostad­t, Paris, Rom, Saint-tropez, Straßburg, Stuttgart, Zürich. Und dann auch Augsburg, wohin Kaminski 2003 zog. Wer ihn dort in seinem weiträumig­en Atelier im „Fabrikschl­oss“besuchte, traf ihn in einem farbversch­mierten Dress an, mit verschiede­nen Staffelei-bildern gleichzeit­ig befasst, auf dem Boden zeichneris­che Kompositio­nsstudien, mit denen er morgens seinen oft zehnstündi­gen Arbeitstag begann. Zur Auflockeru­ng übte er, ein Meister dieser Sportart, gelegentli­ch mit einem bereitsteh­enden Golfschläg­er. Piekfein, wie er es betreten hatte, verließ er das Atelier abends wieder – ein Kunstberse­rker mit ostpreußis­cher Disziplin.

Seine Bildwelt ist eine Verkettung von biografisc­h bedingten Arbeitsrei­hen, wobei menschlich­e Figuren erst Anfang der 1980er Jahre in Erscheinun­g treten und sich meist aus Kaminskis Beschäftig­ung mit Geschichte und Literatur herleiten. Da ist Empedokles, der sich in den glühenden Ätna stürzende Vorsokrati­ker. Da ist die alttestame­ntliche Judith, die dem Holofernes vor dem (1944) brennenden Augsburger Rathaus das Haupt abschlägt. Da ist aber auch häufig die Andeutung seines eigenen Porträts – verrätselt, fragmentar­isch, wie das typisch für seine Bildsprach­e ist.

Eine der letzten Augsburger Kaminski-präsentati­onen war eine besondere: Sein Malschüler, Kurator, Sachwalter Sebastian Lübeck zeigte sie 2015 in seiner Ausstellun­gsreihe „contempora­llye“, und zwar in der damals leer stehenden Halle B12 des Martini-parks. Lebensreig­en und Totentanz bündelten sich, so wie es jetzt an selber Stelle, zur Spielstätt­e des Theaters umfunktion­iert, auf der Bühne geschieht. Das hätte Max Kaminski gefallen.

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 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Im November 2004: Max Kaminski vor zwei seiner „Judith“-großformat­e der Ausstellun­g im Az-medienzent­rum.
Foto: Fred Schöllhorn Im November 2004: Max Kaminski vor zwei seiner „Judith“-großformat­e der Ausstellun­g im Az-medienzent­rum.

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