Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Europäische Geste mit Risiken
Wie ein altes Paar, das sich nach Jahrzehnten feierlich ein neues Eheversprechen gibt, haben Deutschland und Frankreich in Aachen eine weitere Vertiefung ihrer Beziehungen besiegelt. Es ist ein wichtiges Symbol in Zeiten, in denen die europäische Idee unter heftigem Druck steht. Bei aller Freude über das historische Abkommen: Es bedeutet auch eine neue Dimension eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich nicht alle Mitgliedsländer der EU zur gleichen Zeit an allen Integrationsstufen beteiligen – siehe Eurozone oder Schengenraum. Die neue, demonstrierte Nähe zwischen Deutschland und Frankreich könnte aber das Misstrauen unter den skeptischen Eu-staaten noch vergrößern.
Wenn etwa Frankreich die deutschen Bemühungen um einen ständigen Sitz im Un-sicherheitsrat unterstützen will – die dennoch unrealistisch bleiben –, bedeutet das auch eine Absage an die Idee eines ständigen Sitzes für die EU. Wenn sich Deutschland und Frankreich gegenseitig versichern, sich im Falle bewaffneter Angriffe beizustehen, könnte dies für manche auch nach Zweifeln an EU und Nato klingen.
An die Bremser innerhalb der EU darf nicht das Signal „Wenn ihr nicht wollt, dann eben ohne euch“gehen. Das könnte die Risse, die durch die Gemeinschaft der nach dem Brexit dann nur noch 27 Staaten gehen, weiter vertiefen. All jene, die sich eine schwächere EU wünschen, ob Populisten, Donald Trump oder Wladimir Putin, würden sich ins Fäustchen lachen. Deutschland und Frankreich müssen deshalb vormachen, dass mehr Gemeinsamkeit sich wirklich auszahlt, um die ganze Eu-familie voranzubringen.