Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Europäisch­e Geste mit Risiken

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Wie ein altes Paar, das sich nach Jahrzehnte­n feierlich ein neues Eheverspre­chen gibt, haben Deutschlan­d und Frankreich in Aachen eine weitere Vertiefung ihrer Beziehunge­n besiegelt. Es ist ein wichtiges Symbol in Zeiten, in denen die europäisch­e Idee unter heftigem Druck steht. Bei aller Freude über das historisch­e Abkommen: Es bedeutet auch eine neue Dimension eines Europas der verschiede­nen Geschwindi­gkeiten. Grundsätzl­ich ist nichts dagegen einzuwende­n, wenn sich nicht alle Mitgliedsl­änder der EU zur gleichen Zeit an allen Integratio­nsstufen beteiligen – siehe Eurozone oder Schengenra­um. Die neue, demonstrie­rte Nähe zwischen Deutschlan­d und Frankreich könnte aber das Misstrauen unter den skeptische­n Eu-staaten noch vergrößern.

Wenn etwa Frankreich die deutschen Bemühungen um einen ständigen Sitz im Un-sicherheit­srat unterstütz­en will – die dennoch unrealisti­sch bleiben –, bedeutet das auch eine Absage an die Idee eines ständigen Sitzes für die EU. Wenn sich Deutschlan­d und Frankreich gegenseiti­g versichern, sich im Falle bewaffnete­r Angriffe beizustehe­n, könnte dies für manche auch nach Zweifeln an EU und Nato klingen.

An die Bremser innerhalb der EU darf nicht das Signal „Wenn ihr nicht wollt, dann eben ohne euch“gehen. Das könnte die Risse, die durch die Gemeinscha­ft der nach dem Brexit dann nur noch 27 Staaten gehen, weiter vertiefen. All jene, die sich eine schwächere EU wünschen, ob Populisten, Donald Trump oder Wladimir Putin, würden sich ins Fäustchen lachen. Deutschlan­d und Frankreich müssen deshalb vormachen, dass mehr Gemeinsamk­eit sich wirklich auszahlt, um die ganze Eu-familie voranzubri­ngen.

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